Die Lücke muss weg
22.08.2022 – Viele junge Menschen haben Angst vor Altersarmut – sorgen aber kaum privat vor. Mit der Abschaffung des Solis bietet sich 2021 eine große Chance, das Thema endlich anzugehen.
Die Lücke muss weg
430.000 Rentner in Deutschland sind von Lebensmitteln der Tafeln abhängig. Allein im vergangenen Jahr nahm die Zahl um 20 Prozent zu. Diese Entwicklung verdeutlicht ein wachsendes Problem: Die Renten reichen oft nicht mehr aus, um die weiter steigenden Lebenshaltungskosten zu decken. Gleichzeitig kümmern sich immer weniger junge Menschen um ihre Altersvorsorge. Dabei bietet sich in Kürze eine gute Chance für den Einstieg ins Sparen: Mit dem Wegfall des Solidaritätszuschlags haben fast 90 Prozent der Deutschen ab Januar 2021 mehr Geld in der Tasche.
Das Wichtigste in Kürze
- Viele Rentner in Deutschland kommen mit ihrem Geld nicht mehr aus und sind auf Unterstützung angewiesen.
- Junge Arbeitnehmer haben verstärkt Angst vor der Altersarmut, doch nur die wenigsten sorgen privat vor.
- Mit dem Wegfall des Solidaritätsbeitrags bietet sich 2021 eine optimale Chance, das Thema Altersvorsorge anzugehen.
Das System wankt
„Denn eins ist sicher: Die Rente“. Dieser Slogan sprang den Deutschen im Wahlkampf 1986 von rund 15.000 Plakaten entgegen. Sein kühnes Versprechen brachte Norbert Blüm in die Schlagzeilen und ihm zwölf weitere Jahre als Bundesarbeitsminister. Doch das Zitat verfolgte ihn bis zu seinem Tod im April 2020. Stets wehte ihm ein Hauch von Spott und Zynismus entgegen. Jedem war inzwischen klar geworden, dass das Rentensystem langsam an seine Grenzen kommt. Und auch Blüm selbst musste sich später korrigieren: „Wenn das Rentenniveau weiter so sinkt wie in den letzten Jahren, dann kommt man in die Nähe der Sozialhilfe.“
Neben der Systemfrage gibt es auch strukturelle Probleme: Deutschland vergreist und stirbt gleichzeitig aus. So stieg die Lebenserwartung bei Frauen seit Blüms Wahlspruch um gut fünf, bei Männern sogar um knapp sieben Jahre. Gleichzeitig verharrt die Geburtenrate auf einem niedrigen Niveau. Kamen 2016 noch 100 Arbeitnehmer für 48 Rentner auf, werden es im Jahr 2045 vermutlich nur noch 70 Beitragszahler sein – schätzt die Deutsche Rentenversicherung.
Die Rente wird nicht reichen
Die Folge: Das Rentenniveau wird spürbar sinken. So dürfte ein Rentner nach 2030 voraussichtlich 44 Prozent des Durchschnittslohns beziehen. Große Sprünge im Ruhestand sind da nicht drin. Und so werden junge Menschen in Deutschland wohl länger arbeiten und mehr einzahlen müssen – um am Ende weniger Geld zu haben. Ein schlechter Deal.
Entsprechend groß sind die Sorgen vor der Zukunft: 68 Prozent der 17- bis 27-Jährigen haben Angst vor der Altersarmut. Das ergab die Studie „Jugend, Vorsorge, Finanzen“ des betrieblichen Versorgungswerkes Metallrente aus dem Jahr 2019. Wer also nicht mit 70 oder 75 noch arbeiten möchte, sollte zwingend privat vorsorgen. So die Logik. Doch die Realität sieht anders aus: Die Quote der Vorsorgesparer unter den Vollzeitbeschäftigten sank von 66 (im Jahr 2010) auf 56 Prozent. Regelmäßig sparen sogar nur 32 Prozent der jungen Menschen für das Alter.
„Das müsste ich mal langsam angehen.“
Die Gründe für dieses Missverhältnis scheinen vielfältig: Einige geben ihr Geld lieber im Hier und Jetzt aus – für ein Auto, Reisen oder Hobbys. Zudem sind vielen jungen Menschen Fragen rund um die Rente unangenehm. Viele assoziieren sie mit dem Altwerden oder dem eigenen Tod. Und so schieben sie das Thema Vorsorge auf die lange Bank. Doch genau dort ist es deplatziert.
Zwar fallen im Alter Kosten für Arbeitswege und (teure) Bürokleidung weg. Doch gleichzeitig sollte man mit Mehraufwand für Gesundheit und Pflege rechnen. Auch ein altersgerechter Umbau der Wohnung wäre eine zusätzliche Ausgabe. „Doch wer seinen Lebensstandard im Alter halten möchte, benötigt – abhängig von den eigenen Ansprüchen – etwa 80 Prozent des letzten Nettogehalts als Rente“, sagt Nicole Koetzner, Expertin für Altersvorsorge bei der Commerzbank. Und allein mit der gesetzlichen Rente sei das keinesfalls zu schaffen.
Mit 20 Euro ist man dabei
Zehn bis 15 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens sollten Arbeitnehmer für die private Vorsorge zurücklegen. So die Faustformel. Das klingt viel – und ist es auch. Denn meist ist es mit Verzicht an anderer Stelle verbunden. Die gute Nachricht: Auch Kleinvieh macht Mist. „Gerade wer früh anfängt, kann sich schon mit 20 Euro pro Monat ein erstes Polster anlegen“, macht Koetzner Mut. Denn über die lange Sparzeit und mit staatlichen Förderungen kommt am Ende einiges zusammen. Mit steigendem Einkommen sollte aber auch der Sparbetrag wachsen.
Ausreden gibt es ab Januar keine mehr: „Ab 2021 fällt der Solidaritätszuschlag für 90 Prozent der Bürger weg“, sagt die Expertin. Lediglich Spitzenverdiener werden vom Staat weiterhin zur Kasse gebeten. „So kann fast jeder Arbeitnehmer in Deutschland Geld zurücklegen, das er gar nicht vermisst.“ Bei einem Jahreseinkommen von 40.000 Euro brutto spart ein alleinstehender Arbeitnehmer künftig knapp 465 Euro pro Jahr. Geld, das man gut in die eigene Altersvorsorge investieren kann. Wenn man dann noch jeden Monat einen kleinen Betrag zusätzlich zur Seite legt, sichert man sich weitere staatliche Zuschläge.
Mögliche Bausteine der privaten Altersvorsorge
- Betriebliche Altersvorsorge
- Private Vorsorge mit staatlicher Förderung: Riester und Co.
- Flexible Produkte ohne Förderung: Wertpapier-Sparpläne, Renten-Sparpläne
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Altersvorsorge – individuell zugeschnitten
Vielen jungen Menschen in Deutschland fehlt es aber an grundlegenden Informationen: Weniger als ein Drittel der Befragten kennt sich nach eigenen Angaben in diesem Bereich aus. Hinzu kommt mangelndes Vertrauen in Riester, Rürup oder Aktienmärkte. Als Einstieg in die Thematik empfiehlt Nicole Koetzner die (neutralen) Informationen der Deutschen Rentenversicherung . „Die sind gut geschrieben und einfach verständlich.“
Danach sollte man zu einem Experten seines Vertrauens gehen, zum Beispiel bei der Hausbank. Denn es gibt auf dem Markt nicht nur sehr unterschiedliche, sondern vor allem auch flexible Angebote. „Gute Berater vergleichen die aktuelle Lebenssituation ihrer Kunden mit deren Wünschen, Zielen und Plänen und können so ganz individuell das beste Angebot finden“, so Koetzner. Am besten sei es, chancenorientierte Produkte mit Sicherheiten zu kombinieren. Dann kann der Ruhestand kommen. Und das, ohne sich groß einzuschränken.