Was ist die Dow-Theorie? Einfach erklärt!

14.02.2023 – Die Dow-Theorie gilt als Fundament der klassischen Chartanalyse. Grundlage ist die Annahme, dass sich die zukünftige Entwicklung der Märkte aus dem Chart ableiten lässt.

Viele Anlegerinnen und Anleger sind sich sicher: Aktien steigen auf lange Sicht immer. Und tatsächlich schaffen Wertpapierkurse im Aufwärtstrend immer neue Allzeithochs. Doch nicht jede Aktie ist dazu bestimmt, sich zu permanent neuen Hochs aufzuschwingen. Wann der Trend gebrochen wird, lässt sich auch am Chart ablesen. Wir zeigen Ihnen, worauf es bei der klassischen Chartanalyse nach Charles H. Dow ankommt.

Was ist die Dow-Theorie?

Alle finanzmarktrelevanten Informationen wirken sich sofort auf die Kurse von Aktien und Indizes aus, davon war Charles H. Dow, Begründer des Dow-Jones-Index und des Wall Street Journal, überzeugt. Doch nicht nur Nachrichten und Fundamentaldaten wirken auf die Kurse von Aktien oder Indizes. Die Märkte folgen zudem grundlegenden Trends, die oft von der Einwicklung der einzelnen Unternehmen entkoppelt erscheinen. Diese Trends halten tendenziell eher an, als dass sie enden. Das stellte Charles H. Dow Ende des 19. Jahrhunderts bei der Analyse der von ihm geschaffenen Indizes fest.

Auf Grundlage dieser Analyse schuf Dow die nach ihm benannte Theorie, die er in den folgenden Monaten und Jahren verfeinerte und sukzessiv im Wall Street Journal publizierte. Sie gilt noch heute als das Fundament der klassischen technischen Chartanalyse. Zahlreiche private wie institutionelle Investoren orientieren sich bei ihren Anlageentscheidungen an den Erkenntnissen, die Dow Ende des 19. Jahrhunderts zusammengefasst hat – und das sowohl bei der Wahl geeigneter Aktien als auch bei Fonds und ETFs.

Wer war Dow?

Charles Henry Dow war ein US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und Journalist, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte. Zunächst verfasste er für die New Yorker Agentur Kiernan News Agency Finanzmarktnachrichten für Banken und Makler, 1882 gründete er zusammen mit Edward Davis Jones und Charles Milford Bergstresser die Dow Jones & Company, ebenfalls eine Agentur für Börsennachrichten. Mit dem Customer Afternoon Letter publizierte er den ersten Börsenbrief, aus dem sich später das Wall Street Journal entwickelte.

Zu dieser Zeit erkannte Dow erstmals, dass sich die Kurse verschiedener Aktien nicht nur an Fundamentaldaten und Unternehmensnachrichten, sondern auch an langfristigen Trends orientieren. Um diese erste Einschätzung besser verfolgen zu können, schuf er 1884 zunächst den Dow Jones Railroad Average, den ersten US-amerikanischen Aktienindex, der erst auf 11, später auf 14 Werten der Transportindustrie basierte. 12 Jahre später kreierte Dow den Dow Jones Industrial Average, noch heute einer der Leitindizes der amerikanischen Börse. Dazu addierte Dow die Aktienkurse der 12 bedeutendsten Unternehmen der New York Stock Exchange und dividierte die Summe anschließend durch 12. Am 26. Mai 1896 notierte der Dow Jones Industrial Average erstmals bei 40,94 Punkten.

Aus seinen Beobachtungen zum Auf und Ab des Indexes versuchte Dow, die täglichen Aktienkursänderungen langfristigen Trends zuzuordnen. Von 1899 bis zu seinem Todeszeitpunkt im Jahr 1902 publizierte er seine Erkenntnisse in regelmäßigen Abständen im Wall Street Journal. Die Zusammenfassung dieser Editorials wurde später als Dow-Theorie bekannt und bildet bis heute die Grundlage der klassischen technischen Chartanalyse.

Die Bedeutung der Dow-Theorie

Die Kernaussage der von Charles H. Dow aufgestellten Theorie lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Alle Informationen stecken im Chart. Sprich: Die Indizes wissen alles.

Laut Dow schlagen sich alle finanzmarktpolitischen Nachrichten sowie alle Unternehmensentwicklungen und Faktoren der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft, aber auch Insiderwissen sowie unvorhersehbare Ereignisse wie Naturkatastrophen, Pandemien oder Terroranschläge sofort in den Charts nieder. So spiegeln die Kurse von Aktien oder Indizes stets und aktuell nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft der Werte wider. Eine Analyse der Fundamentaldaten von Unternehmen oder gar gesamten Märkten erübrige sich – gemäß der technischen Analyse könnten alle Entwicklungen allein aus dem Chart abgelesen werden.

Mit der Dow-Theorie langfristig Trends ablesen

Gemäß Dows Theorie lassen sich aus den Charts von Aktien oder Indizes langfristige Trends ablesen. Sie zeigen, ob es mit einem Wert in Zukunft bergauf oder bergab geht. Ein Aufwärtstrend charakterisiert sich als eine Folge stetig höherer Hoch-, aber auch Tiefpunkte. Das bedeutet, der Kurs einer Aktie erreicht immer neue Hochs und fällt in der Korrektur immer weniger stark zurück. Das Ende eines solchen Aufwärtstrends zeigt sich, wenn der Kurs ein vorheriges Hoch nicht erneut erreicht beziehungsweise überschreitet oder unter das vorhergehende Tief absinkt. Umgekehrt gelten die gleichen Annahmen für einen Abwärtstrend.

Für seine Analyse setzte Dow ausschließlich auf Schlusskurse. Schwankungen innerhalb des Tageshandels hatten seiner Meinung nach wenig Relevanz. Allein der Schlusskurs sei die Essenz des Handelstages – nur er könne langfristige Signale generieren und für die Analyse des Trends herangezogen werden.

Dow prägte mit seiner Theorie auch die Börsenweisheit: The Trend is your Friend. Gemäß dem Trägheitsphänomen der Physik setzen sich einmal eingeläutete Trends fort. Das zeigt sich auch im Volumen der gehandelten Aktien: Befindet sich eine Aktie in einem aktuellen Aufwärtstrend, so werde dieser durch ein ansteigendes Volumen bestätigt. Umgekehrt bestätige ein steigendes Volumen bei fallenden Kursen einen bereits begonnenen Abwärtstrend. Steigt das Volumen nicht, sei Vorsicht geboten.

Jeder Trend hat 3 Phasen

Wichtig sind gemäß der Theorie für langfristig orientierte Anlegerinnen und Anleger also vor allem die primären Trends. Sie gilt es, zu erkennen, um den besten Zeitpunkt für den Kauf oder Nachkauf einer Aktie oder eines ETF abschätzen zu können. Dieser primäre Trend besteht laut Dow aus 3 Phasen:

Die Akkumulationsphase

In der Akkumulationsphase dreht der Chart von einer Abwärts- in eine Aufwärtsbewegung. Das ist zum Beispiel immer dann der Fall, wenn am Ende eines Wirtschaftsabschwungs alle negativen Faktoren bereits bekannt und eingepreist sind. Gut informierte und charttechnisch versierte Anlegerinnen und Anleger steigen zu diesem Zeitpunkt günstig ein, um möglichst den gesamten Aufwärtstrend mitzunehmen.

Die Phase der öffentlichen Beteiligung

In der Phase der öffentlichen Beteiligung locken stetig neue positive Nachrichten und Informationen weitere Investoren an die Börsen.

Die Distributionsphase

In der Distributionsphase schlägt die Stimmung in Euphorie um – das Interesse der breiten Öffentlichkeit an Aktien wächst, Anlegerinnen und Anleger rufen immer optimistischere Prognosen aus. Vorausschauende und vorsichtige Investoren steigen hier aus oder realisieren über Teilverkäufe zumindest erste Gewinne. Denn zum Ende dieser Distributionsphase setzt in der Regel ein Abwärtstrend ein.

Indizes bestätigen sich gegenseitig

Um nicht jede Aktie einzeln in den Blick zu nehmen und charttechnisch analysieren zu müssen, schuf Charles H. Dow mit dem Dow Jones Industrial Average den ersten branchenübergreifenden und bis heute wohl wichtigsten Aktienindex. Daneben setzte er allerdings auch den Dow Jones Transportation Average auf, der vor allem die Papiere von Eisenbahnunternehmen enthielt.

Befanden sich beide Indizes gleichermaßen in einem Auf- beziehungsweise Abwärtstrend, sprach Dow von einem Bullen- beziehungsweise Bärenmarkt. Auch heute noch werden Bullen- und Bärenmärkte nur ausgerufen, wenn sich alle relevanten Indizes in ihrem Trend gegenseitig bestätigen.

200-Tage-Linie als Entscheidungshilfe für Anlegerinnen und Anleger

In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Dow-Theorie immer weiter verfeinert und entwickelte sich zur Grundlage für die Analyse von Kursverläufen. Als wesentlicher Indikator für das Erkennen langfristiger Trends hat sich dabei die 200-Tage-Linie etabliert. Notiert der aktuelle Kurs eines Fonds, ETF oder Wertpapiers über dieser Linie, sprechen Analysten von einem Aufwärtstrend. Fallen die Kurse unter die 200-Tage-Linie, wird ein Abwärtstrend eingeläutet.

Langfristig orientierte Anlegerinnen und Anleger behalten diese Linie im Blick. Kreuzt der Kurs eines Wertes die 200-Tage-Linie von unten nach oben, steigen sie mit einer kleinen Position ein. Damit stellen sie sicher, möglichst den gesamten Aufwärtstrend mitzunehmen, reduzieren aber gleichzeitig das Risiko. Denn sollte sich das Trendsignal als Fehlsignal herausstellen und der Kurs doch wieder unter die 200-Tage-Linie absinken, ist das Minus begrenzt. Setzt sich die Aufwärtsbewegung dagegen fort, wird die Anfangsposition durch Zukäufe verstärkt. So wird das Gewinnpotenzial vergrößert. Nähert sich der Aufwärtstrend seinem Ende und der Kurs bricht erneut von oben die 200-Tage-Linie, steigen vorsichtige Anlegerinnen und Anleger aus und realisieren ihre Gewinne.

Dows Theorie hat bis heute Bestand

Mit seiner Theorie gilt Charles H. Dow als der Urvater der heute noch gültigen technischen Chartanalyse. Private Anlegerinnen und Anleger und institutionelle Investoren rund um den Globus analysieren die Kursverläufe von Aktien und Indizes gemäß seinen Erkenntnissen und leiten daraus ihre Kauf- und Verkaufsentscheidungen ab. Die Theorie hat jedoch nicht nur Freunde: Kritikerinnen und Kritiker halten ihr gerne vor, einen Teil der Kursbewegung zu verpassen. Denn wer sich allein an die Dow-Theorie hält, steigt meist erst ein, wenn die Aufwärtsbewegung bereits eingesetzt hat, und verpasst so oft den ersten Anstieg. Dow selbst wollte mit seinen Prognosen allerdings nie die Gesamtbewegung, sondern vor allem den mittleren Hauptteil einer Aufwärtsbewegung erwischen, da dieser den Großteil des zu erwartenden Gewinns ausmacht.

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