• Unsere Markteinschätzung – jeden Freitag neu

    Wochenausblick

    Ausgabe vom 28. Juni 2024

Neues Quartal, altbekannte Kurstreiber

Zu Beginn des dritten Quartals erwartet uns nicht nur die übliche Flut an Konjunktur-, Inflations- und Arbeitsmarktdaten. Zudem müssen die Märkte den Ausgang der Wahlen in Frankreich und Großbritannien einordnen. Diese Gemengelage wird für Volatilität an den Anleihemärkten sorgen; wir erwarten aber keinen deutlichen Anstieg der Renditen. Am Aktienmarkt lässt die bereits sehr risikofreudige Positionierung der Anleger nur wenig Raum für kräftige Kursanstiege.

Das zweite Quartal ist so gut wie geschafft, und für den europäischen Anleger war es eher durchwachsen. Im DAX gab es zwar ein neues Allzeithoch, aber die Quartalsabrechnung dürfte auch nach dem heutigen letzten Handelstag leicht negativ ausfallen. Wohl dem, der sich verstärkt in den USA engagiert hatte: zu den gut vier Prozent Kursplus im S&P 500 kommt noch knapp ein Prozent an Währungsgewinnen. Auch mit Anleihen war in diesem Quartal nicht viel zu verdienen: Bei Staatsanleihen fraß der Renditeanstieg den Kupon auf, bei Unternehmensanleihen sieht es aufgrund höherer Umlaufrenditen etwas besser aus.

Das dritte Quartal startet nicht nur mit der zu Monatsanfang üblichen Datenflut aus Einkaufsmanagerindizes, Euroraum-Inflationsdaten, und US-Arbeitsmarkt. Es wird auch darum gehen, die Ergebnisse aus der ersten Frankreichwahl vom Wochenende einzuordnen. Zuviel sollte man allerdings nicht erwarten: Denn dass es zu einer Mehrheit für den Rassemblement National kommen sollte und seine Kandidaten in vielen Wahlkreisen in der Pole-Position in die Stichwahl gehen dürften, darf nach den Umfragen wenig überraschen. Aber für klare Aussagen über die Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung wird es den zweiten Wahlgang am 7. Juli brauchen. Auch in Großbritannien wird nächste Woche Donnerstag gewählt. Hier wäre alles andere als ein klarer Sieg der Labour-Partei eine Überraschung.

Größeres Volatilitätspotenzial haben eher die Konjunkturdaten. Im Euroraum geht es am Montagmorgen mit den finalen Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe los, bevor am Nachmittag die Inflationsrate für Deutschland erste Hinweise auf die Rate für den Euroraum am Dienstag gibt. Unsere Volkswirte erwarten einen Rückgang auf 2,4%.

Die für die EZB wichtige Kerninflationsrate (ohne die volatilen Komponenten Nahrungsmittel und Energie) wird dagegen voraussichtlich bei 2,9% stagnieren. Damit wäre sie weiter deutlich vom 2%-Ziel der EZB entfernt. Eine erneute Zinssenkung schon im Juli dürfte dann endgültig vom Tisch sein. Wir gehen weiter davon aus, dass es erst im September zur nächsten EZB-Zinssenkung kommt. Hierzu dürfte die EZB-Tagung in Sintra in der nächsten Woche weitere Anhaltspunkte liefern.

In den USA dürfte der Blick noch stärker als sonst auf dem ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe liegen. Denn sein Pendant von S&P war letzte Woche entgegen den Erwartungen leicht gestiegen und bleibt damit oberhalb der als Expansionsschwelle geltenden 50er Marke. Für den ISM wird zwar auch eine leichte Verbesserung erwartet; er soll aber mit einem Wert von 49,2 weiterhin ein schwaches Wachstum signalisieren. Bekanntermaßen hat dies bislang nicht zu einer US-Rezession geführt – weil der Dienstleistungssektor weiterhin solide wächst. Nach der kräftigen Erholung wird hier ein leichter Rückgang auf 52,5 Indexpunkte erwartet – was in etwa dem Durchschnitt seit Anfang 2023 entspricht.

Das Potenzial für Volatilität bleibt dank der Arbeitsmarktdaten (Freitag) auch in der zweiten Wochenhälfte hoch. Es wird erwartet, dass im Juni 188.000 neue Stellen außerhalb der Landwirtschaft geschaffen wurden – was dem Narrativ einer weichen Landung zuträglich wäre. Allerdings haben die Daten in den letzten Quartalen eher die Erwartungen verfehlt, und auch die Erhebung des privaten Anbieters ADP war jüngst kein verlässlicher Indikator. Und als wäre die Mischung aus konjunkturellen Frühindikatoren und Arbeitsmarktdaten noch nicht genug für die Märkte, wird auch das Protokoll der letzten Fed-Sitzung veröffentlicht. Aus dem O-Ton dieser Sitzung und den jüngst besseren Inflationsdaten erhofft man sich einen besseren Einblick, was genau es denn braucht, um den Median der Erwartungen von nur einer Zinssenkung dieses Jahr auf zwei zu bewegen.

Anleihen
Zwar birgt die erwartete Stagnation der Kerninflationsrate im Euroraum das Risiko eines Renditeanstiegs in der nächsten Woche. Da aber bereits am heutigen Freitagmorgen die spanische Kerninflationsrate stagnierte, statt leicht zurückzugehen, dürften die Auswirkungen in der nächsten Woche nicht mehr ganz so gravierend sein. Da zudem auf der EZB-Tagung in Sintra eher der (Zinssenkungs-)Kurs der EZB durch taubenhafte Kommentare bestätigt werden dürfte, ist nicht mit einem deutlichen Anstieg der EUR-Renditen zu rechnen. Auch der wohl wahrscheinlichste Wahlausgang in Frankreich – eine sich abzeichnende Cohabitation – dürfte bereits weitestgehend eingepreist sein.

Währungen
EUR/USD hat sich zuletzt im Bereich zwischen 1,0670 und 1,0750 stabilisiert. Dabei fällt allerdings auf, dass es gerade in der letzten Woche zunehmend seltener wurde, dass der Wechselkurs an das obere Ende der Spanne herangelaufen ist. In Kombination mit dem seit der Europawahl vorherrschenden Abwertungstrend des Euro dürfte es nicht überraschen, wenn €/$ in der nächsten Woche die Marke von 1,0600 ins Auge fasst. Hier könnte die Kombination aus taubenhaften Kommentaren von EZB-Offiziellen auf der Tagung in Sintra und – nach einigen falkenhaften Fed-Kommentaren wie jüngst der Andeutung von Gouverneurin Bowman, die Leitzinsen auch noch einmal anzuheben – das Fed-Protokoll den Impuls geben.

Aktien
Für den Aktienmarkt geht es in der kommenden Woche um nicht weniger als die Frage, welchem Narrativ er sich für den Juli anschließen soll. „High for Longer“, weil die Inflation hoch bleibt, und die Konjunktur und der Arbeitsmarkt weiter heiß laufen, oder der weichen Landung, weil Arbeitsmarkt und Konjunkturindikatoren eine Abschwächung andeuten, oder vielleicht doch dem Rezessionsszenario? Die Wahrscheinlichkeit für letzteres ist eher gering. Dagegen sieht es nach einer Münzwurfwahrscheinlichkeit für erstere aus. Aber selbst wenn die Konjunkturdaten für „High for Longer“ sprechen, muss das nicht zwangsläufig in eine Korrektur treiben – solange daraus nicht wieder „HIGHER for Longer“ wird – sprich erneute Fed-Zinserhöhungen mehr als nur Gedankenspiele werden. Zu Quartalsbeginn bergen da eher Gewinnwarnungen Potenzial, die in Summe recht risikofreudige Stimmung der Anleger zu kippen. Unter anderem die Enttäuschungen bei einigen Einkaufsmanagerindizes im Verlauf des zweiten Quartals deuten darauf hin, dass es sich dabei diesmal um mehr als nur den üblichen Warnhinweis handeln könnte.

Rohstoffe
Bei Gold steht eine wichtige Marke im Fokus: 2.300 US$. Auf diesem Niveau hat sich der Goldpreis in den vergangenen Monaten immer wieder stabilisiert. Dafür dürfte auch verantwortlich sein, dass der Abgabedruck aus Gold-ETF-Verkäufen in den letzten Wochen abgenommen hat. Großes Aufwärtspotential für den Goldpreis dürfte es aber in der nächsten Woche auch bei fallenden Renditen nicht geben, da spekulative Anleger ihre Nettokaufpositionen bereits deutlich ausgeweitet haben (siehe obenstehende Grafik).


Rückblick

Schaukelbörsen in Europa, Verschnaufpause bei US-IT-Unternehmen
Die globalen Aktienmärkte zeigten in der vergangenen Woche keine einheitliche Richtung. In Europa waren Schaukelbörsen zu beobachten und per Saldo kaum Bewegungen auszumachen. Regional jedoch gab es deutliche Unterschiede. So war der französische CAC 40 weiter unter Druck; für das Gesamtjahr bewegt er sich weit abgeschlagen sogar im Minus. Auch in den USA fehlten die großen Treiber.

Zunächst führten Hoffnungen auf eine Einigung im Zollstreit mit China bei europäischen Aktien zu steigenden Automobilaktienkursen. Das im Juni enttäuschend ausgefallene ifo-Geschäftsklima in Deutschland, das rückläufigen Geschäftserwartungen für die nächsten sechs Monate geschuldet war, münzten die Börsianer in gestiegene Hoffnungen auf weitere Zinssenkungsschritte der EZB im zweiten Halbjahr um. Zinssensitive Bankwerte profitierten. In den USA setzten sich zunächst die Gewinnmitnahmen bei Technologieunternehmen fort. Allen voran verlor das KI-Vorzeigeunternehmen Nvidia deutlich an Marktkapitalisierung, bevor sich der Titel zur Wochenmitte wieder erholen konnte und die gesamte Technologiebranche stabilisierte. Vor den wichtigen PCE-Preisdaten aus den USA herrschte am Freitag Zurückhaltung.

Unternehmensseitig gab es einige Überraschungen. In Deutschland senkte der Flugzeugbauer Airbus den Jahresausblick angesichts anhaltender Lieferprobleme bei dringend benötigten Bauteilen. Der Kurs brach deutlich ein und strahlte auf andere Unternehmen der Branche ab. Beim Kunststoffspezialisten Covestro schaut der Übernahmeinteressent ADNOC nun nach monatelanger Hängepartie in die Bücher - Ausgang ungewiss. Die Covestro-Aktie notiert derzeit unter 55 EUR und damit unter dem kolportierten Angebotspreis von 62 EUR. Enttäuschende Quartalszahlen beim schwedischen Modeunternehmen H&M belasten den gesamten Einzelhandelssektor in Europa. Schlechte Nachrichten des US-Halbleiterherstellers Micron Technology mit einem etwas enttäuschenden Ausblick sorgten für leichte Verunsicherung in der Chipbranche. Andere Unternehmen wie die Google-Mutter Alphabet sowie das teuerste Unternehmen weltweit, Microsoft, und auch Amazon markierten temporär neue Höchststände.

Die Rentenmärkte zeigten sich nicht sehr volatil. Das unerwartet schwache ifo-Geschäftsklima in Deutschland bremste den Renditeanstieg 10-jähriger Bundesanleihen. Der Renditeabstand französischer Staatsanleihen zu ihren deutschen Pendants weitete sich im Wochenverlauf im zehnjährigen Laufzeitbereich von 79 auf 84 Basispunkte am Freitag aus. Im Vorfeld der am Sonntag anstehenden Frankreich-Wahlen sind wieder sicherere Häfen gesucht. Die Rendite 10jähriger deutscher Staatsanleihen lag bei 2,46%. Auch bei den US-Staatsanleihen waren per se keine großen Bewegungen zu verzeichnen; die Rendite zehnjähriger Staatspapiere stieg auf 4,30%. Der für Geldpolitik so wichtige Deflator der Konsumausgaben (PCE) sollte am Freitagnachmittag (nach Redaktionsschluss) die Fed in ihrer bisherigen Gangart bestärken. Wir gehen unverändert von einer ersten Fed-Zinssenkung im Dezember aus.

In den USA hat im ersten Fernsehduell Amtsinhaber Biden nicht gegen seinen Herausforderer Trump punkten können. Nach Zuschauerbefragungen lag Trump vorne. Dem Herausforderer wird in wichtigen Fragen wie Wirtschaft und Einwanderung mehr zugetraut.

Angesichts der Unsicherheit vor der ersten Runde der französischen Parlamentswahl gab der Euro nach und notierte zuletzt bei 1,0696 USD.


Ladevorgang...


Märkte in Zahlen

Renditen von Staatsanleihen - in Prozent

-1W -1M ggü.
31.12.
Deutschland
2 Jahre 2,99 -0,01 -0,19 0,32
5 Jahre 2,45 0,01 -0,20 0,50
10 Jahre 2,43 0,03 -0,10 0,43
Bund Future (Kurs) 132,04 0,03 -0,17
USA
2 Jahre 4,77 0,03 -0,17 0,44
5 Jahre 4,32 0,04 -0,22 0,46
10 Jahre 4,29 0,04 -0,18 0,43
10J-2J (Pkt.) -48,10 -49,10 -46,70 -46,80

Währungen - Änderung in Prozent1

-1W -1M ggü.
31.12.
USD pro EUR 1,0712 -0,09 -1,35 -3,03
GBP pro EUR 0,8469 0,19 -0,35 -2,27
CHF pro EUR 0,9609 0,65 -3,15 3,36

1 Positiver Wert: Aufwertung des EUR

Aktienmärkte - Änderung in Prozent

-1W -1M ggü.
31.12.
Europa
DAX 18.210,55 -0,24 -3,00 8,71
MDAX 25.373,89 -1,33 -6,99 -6,50
DJ Stoxx 600 512,59 -1,22 -1,84 7,01
Euro Stoxx 50 4.902,60 -0,91 -3,10 8,43
USA
S&P500 5.482,87 0,18 3,36 14,98
Dow Jones 39.164,06 0,08 0,24 3,91
Nasdaq Comp. 17.858,68 0,77 5,54 18,97
Asien
Nikkei 225 39.341,54 1,83 1,14 17,56

Rohstoffe - Änderung in Prozent

USD -1W -1M ggü.
31.12.
Rohöl (Brent) 86,25 1,03 5,53 11,02
Gold 2329,74 -1,23 -1,05 12,80

Quelle: LSEG Datastream


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Ausblick: Alexander Krämer, CFA, FRM
Rückblick: Cornelia Steinheuer-Zoz

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