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EZB senkt die Leitzinsen, enttäuscht aber die Märkte

07.06.2024

  • EZB hebt überraschend die Inflationsprognose für 2024 und 2025 an
  • Wir gehen von drei weiteren Zinssenkungen ab September aus
  • Staatsanleihen bleiben attraktiv, wir bevorzugen aber Unternehmensanleihen
  • Euro hat sich leicht gestärkt

EZB handelt wie erwartet
Die EZB hat ihre Leitzinsen gestern wie erwartet um 25 Basispunkte gesenkt. Der Einlagensatz liegt nun bei 3,75%. In den vergangenen Wochen haben die EZB-Notenbanker die Marktteilnehmer auf eine Senkung bereits eingestimmt. In ihrer Stellungnahme hat die EZB diesen Schritt damit begründet, dass sie nun zuversichtlicher sei, dass die Inflation mittelfristig zu ihrem Inflationsziel von 2% zurückkehrt. Die Anleger konzentrierten sich während der Pressekonferenz darauf, herauszufinden, wie es mit den Leitzinsen weitergehen könnte. EZB-Präsidentin Lagarde antwortete mehrfach, dass künftige Zinsentscheidungen von den Daten abhingen.

EZB erhöht überraschend ihre Inflationsprognose
EZB-Präsidentin Lagarde betonte, dass der Inflationsdruck durchaus noch hoch sei und Unsicherheit bezüglich der künftigen Inflationsentwicklung bestehe. Die Zinssenkung blieb auch nicht ohne Kritik. Ein EZB-Notenbanker hat laut Lagarde gegen die Lockerung gestimmt.

Überrascht hat, dass die EZB ihre Inflationsprognose für dieses Jahr von 2,3% auf 2,5% und nächstes Jahr von 2,0% auf 2,2% erhöht hat. Wir gehen davon aus, dass sich aufgrund der bis zuletzt stark steigenden Löhne die Inflation am Jahresende eher bei 3% als bei 2% einpendeln wird, zumal der Rückgang der Inflation bei Waren (ohne Energie und Nahrungsmittel) weitgehend vollzogen ist.

EZB-Inflationsprognosen für 2024 und 2025
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Rentenmärkte reagieren enttäuscht
Da die Zinssenkung nicht überraschend kam, lag der Fokus der Sitzung auf der künftigen Entwicklung der Leitzinsen. Mit den Aussagen der EZB und der neuen Prognosen wurde einer schnellen Zinssenkung im Juli aber quasi eine Absage erteilt. In den Zins-Futures war zwar ohnehin kaum eine schnelle Lockerung auf der Juli-Sitzung erwartet worden. Trotzdem wurde der Markt enttäuscht. Die Renditen der Bundesanleihen stiegen um rund 5 Basispunkte über alle Laufzeiten an und der Euro konnte sich leicht festigen. Der Euro stieg kurzzeitig auf über 1,09 US-Dollar.

Wir rechnen im September mit der nächsten Zinssenkung wie bisher, obwohl wir weiterhin von einer hohen Inflation ausgehen. Grund dafür ist, dass der EZB-Rat von Anhängern einer grundsätzlich lockeren Geldpolitik (Tauben) dominiert wird. Es dürfte aber noch einige Zeit vergehen, bevor die EZB erkennen wird, dass das Inflationsproblem noch lange nicht gelöst ist. Wir erwarten für die kommenden drei Quartale weitere Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte, womit der EZB-Einlagensatz Anfang nächsten Jahres bei 3,0% läge. Die Märkte preisen noch zwei weitere Zinssenkungen ein und sind optimistischer als wir. Mit einem Leitzinsniveau von 3% wäre die EZB-Geldpolitik damit weiterhin restriktiv. Die Notenbank veranschlagt einen Leitzins von 2,0 bis 2,5% als neutral.

Renditeausblick und Strategie
Die Inflation im Euroraum schient noch nicht besiegt zu sein. Im Mai stieg die Inflation im Euroraum von 2,4 auf 2,6% an. Im 1. Quartal überraschten auch die hohen Lohnsteigerungen um 4,7% ggü. Vorjahr (nach 4,5%) negativ. Die Renditen stiegen seit Jahresbeginn auch an. Die Rendite 2-jähriger Bundesanleihen erreichten bei 3,1% und die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen bei 2,7% einen neuen Jahreshöchststand.

Global hat ein Disinflationsprozess stattgefunden. Einige Notenbanken haben bereits reagiert und die Leitzinsen gesenkt. Die EZB folgt den Notenbanken in Schweden, der Schweiz und Kanada. Dieser Lockerungen dürften die Bank of England (BoE) und die US-Notenbank Fed folgen. Bei der Fed sehen wir erste Senkungen aber erst im Dezember.

Wir gehen davon aus, dass die Bundrenditen im Jahresverlauf zurückgehen könnten. Allerdings ist das Potenzial dafür sehr begrenzt. Bereits zum Jahreswechsel könnten die Renditen wieder anstiegen. Die Renditekurve der Bundesanleihen ist auch noch invers. D.h. die Rendite 2-jähriger Bundesanleihen liegt momentan deutlich über der Rendite 10-jähriger Bundesanleihen. In der Vergangenheit führten Zinssenkungen immer zu einer „Normalisierung“ der Zinskurve, da die kurzfristigen Renditen stärker zurückgehen dürfte als die der längeren Laufzeiten. Wir rechnen daher damit, dass die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen zwischen 20 und 30 Basispunkte zurückgehen könnten. Aufgrund der Volatilität an den Rentenmärkten und der Unsicherheit ist ein stärkerer Rückgang trotzdem nicht auszuschließen.

Staatsanleihen bleiben mit der Erwartung von weiteren Leitzinssenkungen für uns attraktiv. Wir gehen davon aus, dass die Renditen perspektivisch eher zurückgehen. Einen nachhaltigen Renditeanstieg erwarten wir nicht. Wir bleiben positiv für den gesamten Laufzeitenbereich bei Staatsanleihen, würden aktuell aber den kurzen Laufzeitenbereich präferieren.

Unternehmens- und Bankenanleihen bevorzugen wir ggü. den Staatsanleihen. Die Spreads haben sich zwar etwas reduziert, wir rechnen aber nicht mit einer deutliche Spreadausweitung. Dadurch erhalten die Anleger nicht nur eine höhere Rendite, sondern wir rechnen auch mit einer besseren Performance.

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Euro hat sich seit Mitte April gestärkt
Der Euro hat sich seit Mitte April wieder gegenüber dem US-Dollar gestärkt. Grund dafür war wieder ein rückläufiger Renditevorteil der USA ggü. dem Euroraum. Die wieder etwas ermutigenden Konjunkturdaten aus dem Euroraum und schwächere US-Konjunkturdaten haben wohl dazu geführt. Wir gehen davon aus, dass der Euro sich wieder etwas abschwächen dürfte. Dafür spricht die erst später im Jahr erwartete Leitzinssenkung der Fed. Wir bleiben in diesem Umfeld weiterhin bei einem neutralen Votum für den US-Dollar.

Fazit

Fazit

Staatsanleihen bleiben mit der Erwartung von weiteren Leitzinssenkungen der Notenbanken für eine Neuanlage attraktiv. Wir gehen davon aus, dass die Renditen perspektivisch eher zurückgehen. Wir votieren alle Laufzeiten mit Kauf, präferieren aber aufgrund der inversen Zinskurve den kürzeren Laufzeitenbereich. Unternehmensanleihen (Financials und Non-Financials) schätzen wir als noch attraktiver als Staatsanleihen ein. Beim US-Dollar bleiben wir beim Votum neutral.


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Redaktion
Martin Hartmann, CEFA

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Auswirkung von Inflation
Grundsätzlich beeinflusst die Entwicklung der Inflationsrate Ihren Anlageerfolg. Ein daraus resultierender Kaufkraftverlust betrifft sowohl die erzielten Erträge als auch Ihr investiertes Kapital.

Darstellung von Wertentwicklungen
Angaben zur bisherigen Wertentwicklung erlauben keine verlässliche Prognose für die Zukunft. Die Wertentwicklung kann durch Währungsschwankungen beeinflusst werden, wenn die Basiswährung des Wertpapiers/Index von EURO abweicht.