• Unsere Markteinschätzung – jeden Freitag neu

    Wochenausblick

    Ausgabe vom 19. Juli 2024

Wann erholt sich die Wirtschaft im Euroraum?

  • Frühindikatoren dürften nur leicht ansteigen.
  • US-Wirtschaftswachstum hat wohl im 2. Quartal wieder zugelegt.
  • Berichtssaison nimmt weiter Fahrt auf. Nächste Woche u.a. Alphabet, Tesla und IBM.

In der kommenden Woche werden zahlreiche Frühindikatoren für den Euroraum und Deutschland, wie Einkaufsmanagerindizes und das Ifo-Geschäftsklima gemeldet. Wird sich die Wirtschaft in Deutschland und im Euroraum im zweiten Halbjahr aus ihrer langen Schwächeperiode befreien? Zuletzt kamen Zweifel auf, obwohl fast alle Prognosen davon ausgehen. Vor einem Monat hat der Rückgang der wichtigsten Stimmungsindikatoren diese Erwartungen ins Wanken gebracht. Vielmehr erinnert die Entwicklung der vergangenen Monate nun an die vor etwa einem Jahr. Auch Ende 2022 und in den ersten Monaten von 2023 war der zusammengefasste Einkaufsmanagerindex für die Industrie und den Dienstleistungssektor recht deutlich gestiegen, ohne dass es damals zu einer nachhaltigen Belebung der Konjunktur kam.

Wichtig ist, dass die massiven Leitzinsanhebungen vieler Notenbanken inzwischen mehr als ein Jahr zurückliegen und sich deshalb die Wirtschaft an die höheren Zinsen mehr und mehr angepasst haben dürfte, sodass deren Bremseffekt abnehmen sollte. Legen die Frühindikatoren wieder deutlich zu, würde dies dafür sprechen, dass die Rückgänge im Juni ein Ausreißer waren und die Erholung tatsächlich kurz bevor steht. Ein neuerlicher Rückgang würde hingegen die Zweifel an einer schnellen Erholung verstärken. Wir gehen davon aus, dass die Indikatoren leicht zulegen, ohne ein klares Signal zu geben. Das würde unsere Einschätzung einer wirtschaftlichen Erholung bestätigen, die aber schwächer als allgemein erwartet ausfallen dürfte.

Im Fokus steht nächste Woche auch die Meldung des US-Wirtschaftswachstums für das 2. Quartal. Es dürfte höher ausgefallen sein als im 1. Quartal (1,4%), möglicherweise sogar über 2%. Am stärksten dazu beigetragen haben dürfte der Private Verbauch, aber auch die Investitionen sollten zugelegt haben.

Insgesamt zufrieden sein mit den für das zweite Quartal veröffentlichten Daten kann die US-Notenbank Fed. Dies gilt insbesondere für die Inflationszahlen. Zwar dürfte der am nächsten Freitag zur Veröffentlichung anstehende Deflator für die Konsumausgaben ein nicht ganz so günstiges Bild zeichnen wie die Verbraucherpreise. Im Vergleich zum ersten Quartal hat sich das Bild aber merklich aufgehellt. Fed-Chef Powell sagte kürzlich, dass die Daten die Zuversicht der Fed etwas stärken, dass die Inflation nachhaltig auf das 2%-Ziel fallen wird. Klar ist jedoch, dass die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die Fed ihre Zinsen früher senkt als wir das bislang erwarten. Wir gehen bislang von einer ersten Zinssenkung im Dezember aus.

Der US-Wahlkampf bleibt natürlich ein Thema. Der Wahlausgang scheint aber schon entschieden zu sein. Donald Trump wird eine Chance von 61% auf den Wahlsieg eingeräumt; Joe Biden ist dagegen auf nur noch 12% zurückgefallen. Im April lagen sie noch fast gleichauf. Das Wahlprogramm von Trump zielt vor allem auf eine Förderung der Wirtschaft ab. Dies sollerreicht werden, indem die 2018 eingeführte Einkommensteuersenkung unbegrenzt verlängert werden soll. Zudem soll die amerikanische Energieerzeugung (Öl und Gas) gefördert und Zölle eingeführt werden. Ein Zollsatz von 60% auf chinesische Waren und ein allgemeiner Zollsatz von 10% sind dabei im Gespräch.

Die Berichtssaison nimmt nächste Woche richtig Fahrt auf. Im Fokus stehen nach der jüngsten Entwicklung natürlich die Werte Alphabet, Tesla, SAP und IBM.

Anleihen
Ob die positive Stimmung an den Rentenmärkten nächste Woche weiter anhält, bleibt ungewiss. Vielmehr ist eine volatile Entwicklung zu erwarten. Die gestiegenen Zinssenkungserwartungen sind weitgehend eingepreist.

Währungen
Der US-Dollar hat sich ggü. den G10-Währungen wieder deutlich stärken können, nachdem er zuvor überverkauft war. Grund dafür war u.a. auch die höhere Risikoaversion wegen der schwachen Konjunktur in China sowie die sicherheitspolitischen Folgen eines Wahlsiegs Trumps für Taiwan. Die Stärkung des US-Dollars dürfte sich zunächst fortsetzen. In Japan sind weitere Interventionen am Devisenmarkt möglich. Die japanische Regierung betont, dass die Auswirkungen des schwachen Yens nicht weiter ignoriert werden können.

Aktien
Europäische Aktien leiden derzeit unter dem negativen Trend, dass mehr und mehr Unternehmen ihren optimistischen Ausblick einer deutlichen Nachfragebelebung im zweiten Halbjahr wieder einkassieren. In den USA rücken nun die Quartalsberichte der großen Nasdaq-Unternehmen in den Mittelpunkt. Diese dürften per Saldo weiter überzeugen, was dem US-Aktienmarkt Unterstützung geben sollte.

Rohstoffe
Der Anstieg der Ölpreise dürfte wohl gestoppt werden, wenn die US-Benzinnachfrage eine weitere Woche enttäuscht. Die Industriemetallpreise dürften sogar weiter fallen, da die International Study Groups für die ersten fünf Monate des Jahres vermutlich überversorgte Märkte ausweisen werden. Dagegen könnte sich die Rallye am Goldmarkt noch etwas fortsetzen, wenn die Hoffnungen auf Zinssenkungen anhalten.


Rückblick

Zweite Reihe auf dem Vormarsch
Die Börsenwoche hatte ihren ersten Tiefpunkt, bevor sie richtig begonnen hatte: das Attentat auf Donald Trump. Zumindest die Wettanbieter schätzen seitdem die Wahrscheinlichkeit für eine zweite Amtszeit Trumps deutlich höher ein, und auch in den Umfragen nach dem Attentat liegt Trump weiter vor Biden. An den Börsen zeigte sich dies im Zuwachs klassischer „Trump-Trades“: Die Sektoren Energie und Banken dominierten am Montag das Performance-Ranking, während Versorger (und damit viele Unternehmen aus dem Bereich „erneuerbare Energien“) die Woche mit deutlichen Abschlägen begannen. Im weiteren Wochenverlauf übernahmen dann IT und Kommunikationsdienste die rote Laterne. Hier tritt die Kehrseite einer potenziellen zweiten Trump-Präsidentschaft zutage: höhere (China-)Zölle betreffen eben auch den IT-Sektor und vor allem die Halbleiterindustrie. Aussagen aus einem Trump-Interview vom Dienstag, Taiwan als großer Halbleiterlieferant solle die USA für seine Verteidigung bezahlen, trübten die Stimmung weiter. So zeigt sich dann auf Wochensicht ein zuletzt weniger häufig gesehenes Bild: Während der Dow Jones Industrial Average bis Donnerstagabend um 1,7% zulegte, zog es den Nasdaq-100 mit gut 3,1% ins Minus. Und noch etwas war am (US-)Aktienmarkt zu beobachten: das zarte Pflänzchen einer möglichen Rotation in die kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Dies dürfte auch daran gelegen haben, dass am Kapitalmarkt nicht nur die Vorstellung einer ersten US-Zinssenkung schon im September immer mehr Kontur annimmt, sondern auch an den Daten zu den US-Einzelhandelsumsätzen und der Industrieproduktion, die die Erwartungen der Ökonomen deutlich übertrafen. Ob sich diese Rotation verfestigt, bleibt abzuwarten – zumindest legte sie am Donnerstag schon wieder eine Pause ein.

An den US-Rentenmärkten dominierte zunächst ebenfalls der Trump-Trade: Da die Trump’sche Politik (Zölle, Beschränkung der Migration, etc.) eher die Inflation befeuern und die Staatsausgaben bei einem „Durchmarsch“ der Republikaner (sprich Gewinn der Präsidentschaftswahl und Mehrheit im Kongresses) weiter steigen dürften, waren die Renditen am Montag zunächst gestiegen. Im weiteren Wochenverlauf setzten die Renditen aber ihre volatile Abwärtsbewegung fort.

Nicht vergessen werden soll die EZB. Zwar beließ sie die Leitzinsen am Donnerstag wie erwartet unverändert. Und erneut wollte sie sich auf den Zeitpunkt des nächsten Zinsschrittes nicht festlegen und betonte ihre Datenabhängigkeit. Gleichzeitig ließ sie aber auch durchblicken, dass sie die jüngsten Daten zur Lohnentwicklung im Euroraum weniger dramatisch einschätzte als der ein oder andere Marktteilnehmer, und dass die Löhne im kommenden Jahr nicht mehr so stark steigen dürften. Damit bleibt die Sitzung im September ein heißer Kandidat für die nächste Zinssenkung, und die europäischen Anleihemärkte goutierten die EZB-Pressekonferenz mit weiteren Renditerückgängen. Für den Euro war diese taubenhafte Interpretation natürlich nichts. Nachdem er sich in der ersten Wochenhälfte dem Trend seit Anfang Juli folgend weiter aufgewertet hatte, legte er nach der EZB-Sitzung eine Pause ein und notiert nach seinem Ausflug in Richtung 1,10 heute schon wieder unter 1,09.

In China ging diese Woche das dritte Plenum zu Ende. Diese viertägige Klausurtagung der Kommunistischen Partei befasst sich in der Regel mit allgemeinen wirtschaftlichen Überlegungen für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Große Überraschungen blieben aus; China bleibt bei seiner Linie, die „Modernisierung Chinas voranzutreiben.“ Für traditionelle Infrastrukturrohstoffe war das keine gute Nachricht: So fiel zum Beispiel der Kupferpreis auf ein Dreimonatstief.

Zum Abschluss ein Blick auf die derzeit laufende Berichtssaison für das zweite Quartal. Hier gab es Licht und Schatten: Eine Gewinnwarnung beim französischen Rückversicherer Scor ließ die Aktie um 25% fallen. Dagegen konnte zum Beispiel die Aktie von Lanxess deutlich zulegen, nachdem der Quartalsgewinn die Erwartungen übertroffen hatte. Dennoch bleibt bei den meisten europäischen Aktienindizes für die Woche ein Minus.


Ladevorgang...


Märkte in Zahlen

Renditen von Staatsanleihen - in Prozent

-1W -1M ggü.
31.12.
Deutschland
2 Jahre 2,99 -0,12 -0,20 0,31
5 Jahre 2,45 -0,14 -0,20 0,51
10 Jahre 2,43 -0,14 -0,18 0,43
Bund Future (Kurs) 132,06 -0,06 -0,16
USA
2 Jahre 4,68 -0,06 -0,16 0,35
5 Jahre 4,23 -0,07 -0,20 0,37
10 Jahre 4,28 -0,06 -0,12 0,42
10J-2J (Pkt.) -39,90 -40,10 -44,40 -46,80

Währungen - Änderung in Prozent1

-1W -1M ggü.
31.12.
USD pro EUR 1,0879 0,66 1,45 -1,52
GBP pro EUR 0,8418 -0,59 -0,21 -2,86
CHF pro EUR 0,9724 -0,04 0,84 4,59

1 Positiver Wert: Aufwertung des EUR

Aktienmärkte - Änderung in Prozent

-1W -1M ggü.
31.12.
Europa
DAX 18.534,56 0,46 0,90 10,64
MDAX 25.748,19 0,82 -2,68 -5,12
DJ Stoxx 600 519,51 0,38 0,43 8,45
Euro Stoxx 50 4.976,13 -0,23 0,22 10,05
USA
S&P500 5.584,54 0,86 3,,89 17,08
Dow Jones 39.753,75 1,13 2,60 5,48
Nasdaq Comp. 18.283,41 0,52 5,42 21,80
Asien
Nikkei 225 42.224,02 3,20 7,89 26,18

Rohstoffe - Änderung in Prozent

USD -1W -1M ggü.
31.12.
Rohöl (Brent) 85,45 -2,43 4,49 9,99
Gold 2.418,75 2,51 4,61 17,11

Quelle: LSEG Datastream


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Rückblick: Alexander Krämer, CFA, FRM

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