Überführungskosten: So teuer kann es werden
02.07.2021 – Für die Überführung von Autos vom Werk zum Händler fallen oft mehrere hundert Euro an. Welche Kostenfaktoren kommen dabei zusammen?
Überführungskosten: So viel kostet der Autokauf aus der Ferne
Sie haben sich gerade den Neuwagen Ihrer Träume mit der gesamten Ausstattung zusammengestellt und einige Wochen gespannt auf die Übergabe des Autos gewartet – doch nun müssen Sie eine bittere Pille schlucken: Die Rechnung fällt fast 1000 € höher aus als veranschlagt. Der Grund: Zum Kaufpreis sind noch Überführungskosten hinzugekommen. Wir zeigen Ihnen, was Sie beim Autokauf beachten müssen, inwiefern Händler Überführungskosten aufschlagen können und wie Sie böse Überraschungen schon im Vorfeld umgehen.
Beim Autokauf auf versteckte Kosten für die Überführung achten
Die Begründung der Hersteller und Händler ist einfach: Verkaufen sie einen Neuwagen, müsse dieser aufwendig vom Werk zum Autohaus transportiert werden. Dabei darf nichts schiefgehen, schließlich erwartet der Käufer einen einwandfreien Wagen ohne Kratzer und Schrammen, ohne Mängel und Makel. Diese Überführung kostet – und bezahlen muss sie der Käufer.
Verbraucherschützer und der Automobilclub ADAC kritisieren hingegen seit Jahren, dass die Gebühren für die Überführung beim Autokauf nicht transparent ausgewiesen werden – Kunden wissen im Vorfeld oft nicht, welche Beträge Händler und Hersteller wirklich veranschlagen. Auch sind die unterschiedlichen Aufschläge nicht mit den Entfernungen zwischen Werk und Autohaus zu erklären. So sind zum Beispiel die Überführungskosten eines in Spanien gebauten Seat Leon günstiger als die seines Konzernbruders VW Golf, der vor Ort produziert wird.
Tipp
Um böse Überraschungen beim Autokauf zu vermeiden, empfiehlt es sich also, auch die Kosten für eine Überführung des Fahrzeugs im Blick zu behalten. Denn letztendlich gilt: Überführungskosten sind Verhandlungssache – am Ende zählt, was im Kaufvertrag steht. Wir zeigen Ihnen, worauf Sie beim Autokauf achten müssen.
Dürfen Händler Überführungskosten verlangen?
Grundsätzlich dürfen Händler Gebühren für die Überführung eines Fahrzeugs vom Werk zum Autohaus verlangen. Schließlich muss das Auto tatsächlich transportiert werden. Diesen Service lässt sich der Hersteller vom Händler bezahlen. Die Höhe der Überführungskosten ist jedoch nicht gesetzlich geregelt. Abhängig von der Entfernung zwischen Werk und Autohaus sowie von Marke und Modell fallen die Überführungskosten sehr unterschiedlich aus. Und mehr noch: Die Händler sind zudem verpflichtet, den Neuwagen verkehrstüchtig abzugeben. Oft müssen sie dafür noch Kleinteile montieren, Radmuttern festschrauben, Öl-, Kühl- und Bremsflüssigkeit sowie Treibstoff einfüllen und vieles mehr. All das verursacht Kosten, die sie auf den Autokäufer umlegen.
So setzt sich die Gebühr für die Überführung zusammen
Unter Überführungskosten werden alle Aufwendungen zusammengefasst, die beim Autokauf zusätzlich anfallen. Der wohl größte Faktor ist der logistische Aufwand für die Überführung der Neuwagen – also der Transport vom Werk der Hersteller zum Autohaus beziehungsweise Händler. Diese Kosten werden dem Autokäufer in Rechnung gestellt.
Hinzu kommt die Versicherung. Denn während der Überführung muss der Wagen gegen Transportschäden versichert werden.
Hat das Auto die Überführung vom Werk zum Händler überstanden, übernimmt das Autohaus die Aufbereitung des Fahrzeugs. Dazu gehören die gründliche Außen- und Innenreinigung sowie die erste Inspektion und die Installation noch nicht befestigter Elemente. Auch dafür stellen Händler Autokäufern Gebühren in Rechnung.
Was kostet eine Überführung?
Kunden müssen deshalb beim Autokauf oft mit mehreren Hundert Euro, manchmal gar mit mehr als 1000€ zusätzlich rechnen. In Extremfällen könnte sich durch die Überführungskosten der Preis für einen Neuwagen gar um 11% erhöhen, hat die Zeitschrift "Auto Bild" ermittelt. Wie hoch die Kosten für die Überführung genau ausfallen, lässt sich deshalb im Vorfeld nicht bestimmen. Autokäufer müssen dagegen bei Vertragsabschluss ein waches Auge haben und die Überführungskosten beachten – und gegebenenfalls verhandeln.
Überführungskosten umgehen mittels Werksabholung
Wer jetzt denkt, er könne die Überführungskosten umgehen, indem er seinen Neuwagen einfach eigenständig am Werkstor in Empfang nimmt, der irrt. Denn die Hersteller lassen sich auch bei der Werksabholung Überführungskosten bezahlen.
So verlangt beispielsweise VW für die Werksabholung zwischen 100 und 400€, hat der ADAC ermittelt. Bei BMW fallen bei Werksabholung rund 515€ an, bei Audi sind es zwischen 465 und 615€. Porsche verlangt für die Werksabholung zwischen 400 bis 800€ – Werksbesichtigung und Museumsbesuch, Mittagessen oder Snack sowie und ein paar Liter Sprit sind meist inklusive. Hinzu kommen jedoch die Kosten für die Fahrt vom Wohnort zur Autofabrik. Einzige Ausnahme: Bei Mercedes ist die Werksabholung kostenfrei. Bei Ford und Opel ist sie dagegen gar nicht möglich. Günstiger wird der Autokauf mit der Werksabholung direkt beim Hersteller also oftmals nicht.
Verbraucherschützer kritisieren Überführungskosten
Aufgrund der Intransparenz und der fehlenden Kalkulierbarkeit der tatsächlichen Kosten kritisieren Verbraucherschützer und ADAC die gängige Praxis der Überführungskosten bereits seit Jahren. Und auch Autokäufer wehren sich immer häufiger und ziehen wegen überzogener Kosten für die Überführung vor Gericht – oftmals mit Erfolg.
"Verbraucher müssen sich auf einen Endpreis ohne Nebenkosten verlassen können", fordert zum Beispiel der ADAC. "Außerdem widersprechen derartige Nebenkosten für den Transport zum Händler oder für die Übergabeinspektion der Rechtslage. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und die Preisangabenverordnung schreiben vor, dass alle anfallenden Kosten in den Endpreis eingerechnet sein müssen."
Überführungskosten vor dem EuGH
Zu einer ähnlichen Entscheidung kam auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Juli 2016 und urteilte: "Verlangt der Händler, der das Erzeugnis verkauft, dass der Verbraucher die Kosten der Überführung dieses Erzeugnisses vom Hersteller an diesen Händler trägt, und sind diese – im Übrigen feststehenden – Kosten infolgedessen obligatorisch vom Verbraucher zu tragen, stellen sie einen Bestandteil des Verkaufspreises im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6 dar." (Aktenzeichen: C-476/14)
Im Klartext heißt das: Der in einer Werbeanzeige oder im Kaufvertrag genannte Verkaufspreis muss alle unvermeidbaren und unvorhergesehenen Kosten für den Autokauf enthalten. Dazu zählen auch die Überführungskosten. Diese dürfen nur dann gesondert aufgeführt werden, wenn der Käufer zwischen Lieferung an den Händler und Werksabholung beim Hersteller wählen kann. Aber auch wenn sich die Höhe der Kosten nicht vor Vertragsabschluss festlegen lässt, ist eine Ausnahme gegeben.
Nun muss allerdings noch der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe die Entscheidung überprüfen und ein abschließendes Urteil fällen.
Überführungskosten auch bei Leasing, Ausstellungsstücken und gebrauchten Fahrzeugen
Doch nicht nur beim Autokauf von Neuwagen fallen Gebühren für die Überführung an. Auch bei der Abgabe von Leasingfahrzeugen verlangen Händler in der Regel eine Gebühr für die Überführung. Denn das mit der Beschaffung des Leasingfahrzeugs beauftragte Autohaus bestellt den Wagen beim Hersteller. Sobald der Hersteller die Montage des Fahrzeugs beendet hat, liefert er es an den Händler. Hinzu kommen auch bei Leasingwagen Gebühren für die Fahrzeugaufbereitung und für die Transportversicherung.
Anders sollte es doch bei einem Ausstellungsfahrzeug aussehen – schließlich steht der Wagen bereits beim Händler. Weit gefehlt. Auch beim Verkauf von Ausstellungsstücken verlangen die meisten Händler eine Gebühr für die Überführung. Schließlich hatten sie die Transportkosten in der Vergangenheit zu tragen – und müssen nach Abverkauf des Wagens ein neues Fahrzeug ordern.
Mitunter verlangen Händler gar beim Verkauf von Gebrauchtwagen Überführungskosten. Diese sollten Käufer aber nur dann tragen, wenn tatsächlich eine Überführung stattgefunden hat – der Händler das gewünschte Fahrzeug also aus einer anderen Niederlassung geholt hat. Wichtig ist das vor allem, wenn der gewünschte Gebrauchte keinen gültigen TÜV mehr hat. Denn dann dürfen private Autokäufer den Wagen nicht auf eigene Faust nach Hause fahren. Der Grund: Die Verkehrssicherheit des Wagens ist nicht sichergestellt. Entweder transportieren sie das Fahrzeug auf einem Hänger nach Hause, bringen ihn vor Ort durch den TÜV und überführen ihn mit einem Kurzzeitkennzeichen oder sie beauftragen ein Autohaus mit der Überführung.
Neuwagen aus dem Ausland überführen
Auch die Überführung eines neu oder gebraucht gekauften Fahrzeugs aus dem Ausland können Autokäufer auf eigene Faust organisieren. Die wohl einfachste Möglichkeit ist, den Wagen auf einem Hänger nach Deutschland zu transportieren. Wer das Fahrzeug dagegen selbst nach Hause fahren möchte, besorgt sich ein Ausfuhr- oder Überführungskennzeichen. Für die Ausstellung eines solchen Kennzeichens gelten jedoch in jedem europäischen Land andere Bestimmungen und Vorgaben – Autokäufer informieren sich am besten im Vorfeld über die Formalitäten. Erfahrene und professionelle Händler wissen, worauf es ankommt.
Einfach, stressfrei, aber nicht unbedingt günstig sind dagegen Speditionen. Sie übernehmen die gesamte Abwicklung der Überführung und stellen den Wagen dem Käufer direkt vor die Haustür. Die Spezialisten kosten zwar Geld, die Überführung funktioniert dafür aber reibungslos und erspart Käufern den bürokratischen Aufwand, viel Zeit und oft auch Ärger.
Nach Autokauf und Überführung haben stolze Neuwagenbesitzer dann zehn Tage Zeit, dem Finanzamt eine Umsatzsteuererklärung für die Fahrzeugeinzelbesteuerung zukommen zu lassen. Denn in Deutschland gilt: Auf im Ausland gekaufte Neuwagen müssen 19 Prozent Steuer entrichtet werden. Bei Gebrauchten entfällt diese Steuer samt der Meldung ans Finanzamt.
Tipp: So sind Fahrzeugkauf und Überführung vor bösen Überraschungen gefeit
Wichtig beim Autokauf: Lesen Sie den Kaufvertrag gründlich! Achten Sie dabei nicht nur darauf, ob alle Bestandteile, die Ihr Neuwagen haben soll, korrekt aufgeführt sind. Lassen Sie sich auch im Vorfeld bei der Beratung nicht von Rabatten und Preisnachlässen blenden, sondern fragen Sie immer und direkt nach dem finalen Kaufpreis inklusive der Gebühr für die Überführung! So erleben Sie am Ende keine böse Überraschung.
Kennen Sie dann die exakten Überführungskosten, prüfen Sie, ob sich eine Werksabholung lohnt. Aber bedenken Sie: Zu den Kosten für die Werksabholung kommen noch Aufwendungen für die Fahrt und eventuell eine Übernachtung im Hotel hinzu.
Bedenken Sie zudem: Eine Pauschale für die Überführung gibt es nicht – die Kosten sind verhandelbar. Will der Händler partout nicht nachgeben, handeln Sie zusätzliche Extras für Ihren Neuwagen heraus. Diese können wie folgt aussehen:
- ein voller Tank
- Verbandkasten und Warndreieck
- Fußmatten
- ein zweiter Satz Reifen
- der Händler übernimmt die Zulassungsformalitäten
Augen auf beim Autokauf
Gerade beim Kauf von Neuwagen werden Überführungskosten oft als ungerecht empfunden, weil sie intransparent sind und meist erst ganz am Ende des Vertragsabschlusses – oder gar erst nach dem Kauf – angesprochen werden. Zwar muss die Gebühr für die Überführung seit einigen Jahren im Kfz-Endpreis inbegriffen sein, die Praxis sieht jedoch oft anders aus: In den meisten Werbeanzeigen kommt das Thema Überführung nur im Kleingedruckten zur Sprache. Im Autohaus findet sich auf den Preisschildern häufig der Zusatz "zuzüglich Überführungskosten".
Wichtig für Autokäufer: Überführungskosten sind verhandelbar. Denn die Preisgestaltung wird keinesfalls vom Hersteller vorgegeben, sondern ist dem Händler überlassen. Autokäufer sollten sich nicht mit Pauschalen abspeisen lassen und hartnäckig verhandeln, zumal die Überführungskosten mit den Entfernungen zwischen Werk und Autohaus nicht erklärbar sind.