Warum verdienen Frauen weniger als Männer?
Frauen bekommen für die gleiche Arbeit häufig weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Diese Gehaltslücke ist leider noch immer Realität. Doch woher kommt der sogenannte Gender Pay Gap und warum hält er sich so hartnäckig?
Der Gehaltsunterschied: Warum verdienen Frauen eigentlich weniger als Männer?
Es gibt viele Unterschiede zwischen den Geschlechtern, sowohl in physischer als auch in charakterlicher Hinsicht. Aber warum verdienen Frauen eigentlich weniger Geld als Männer? Ist das ein weiterer Unterschied, den man einfach als gegeben ansehen muss? Natürlich nicht - auch wenn die Gründe für den Gehaltsunterschied vielschichtig sind. Teilweise haben sie ihren Ursprung in einer längst überholten Frauenrolle, teilweise liegt es am Verhalten der Frauen selbst. Begeben wir uns also auf Spurensuche, wie sich der Gender Pay Gap historisch entwickelt hat.
Was bedeutet Gender Pay Gap?
Der englische Begriff bezeichnet allgemein den Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern. Einmal im Jahr veröffentlicht das Statistische Bundesamt die Zahlen zur Lohnlücke in Deutschland. Dabei wird zwischen der Entwicklung in Gesamtdeutschland, West- und Ostdeutschland differenziert. Die Angaben des Statistischen Bundesamts zeigen deutliche Unterschiede innerhalb Deutschlands. Das Zahlenwerk für den Gender Pay Gap der EU-Staaten liefert Eurostat. Die Statistiken geben wichtige Hinweise auf die Lohnlücke und damit auf die ungleiche Stellung von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft.
Berufsfeld, Position und Arbeitszeit
Es macht einen großen Unterschied, ob Frauen im Einzelhandel arbeiten oder Lehrerinnen sind. Denn: Die Größe der Lohnlücke hängt vom jeweiligen Sektor bzw. der Branche ab. Und natürlich wird die Kluft der Gehaltslücke davon beeinflusst, ob Frauen in Führungspositionen und in Voll- oder Teilzeit arbeiten.
- Der unbereinigte Gender Pay Gap ist 2023 in der privaten Wirtschaft mit 19% wesentlich ausgeprägter als im öffentlichen Dienst mit 6%.1
- In einigen Branchen erzielen die Lohnunterschiede Spitzenwerte. Etwa beim Verkauf von Bekleidung, Elektronik, Kfz und Hartwaren betrug sogar der angepasste Gender Pay Gap 2019 ganze 27%. Auch beim Verkauf von Lebensmitteln ist die Gehaltslücke mit satten 24% und im Metallbau mit 23% überdurchschnittlich groß.2
- Für Vollzeitbeschäftigte fällt der Gender Pay Gap höher aus als für Arbeitnehmerinnen in Teilzeit.
Woher kommt der Gender Pay Gap? Ein kleiner Ausflug in die Geschichte!
Frauen wurden in der Gesellschaft lange Zeit vor allem als Hausfrauen und Mütter wahrgenommen. Sie waren es, die sich um Kinder und Pflegebedürftige in der Familie kümmerten und nebenbei den Garten und die Nutztiere versorgten, um die Nahrungsvorräte aufzustocken. Kurz gesagt: Frauen hatten einen Vollzeitjob im wahrsten Sinne des Wortes – sie kümmerten sich rund um die Uhr um Familie und Haushalt, während die Männer einen Beruf ausübten und das Geld nach Hause brachten.
Natürlich gab es in der Geschichte immer auch berufstätige Frauen. Ihnen standen jedoch nur wenige Berufe offen, etwa als Angestellte im Haushalt anderer, als Krankenschwester oder als einfache Hilfskraft in einer Fabrik. Damit ließ sich nur wenig Geld verdienen. Die Gesellschaft traute Frauen nicht die gleiche Arbeit wie Männern zu.
Jahrhundertwende: Frauen erkämpfen sich Rechte in der Arbeitswelt
Ende des 19. Jahrhunderts entstand in den Reihen der Fabrikarbeiterinnen des deutschen Kaiserreiches eine Frauenbewegung. Sie kämpfte gegen niedrige Löhne, die Gehaltsunterschiede und für besseren Mutterschutz. Gegen die konservative Gesetzgebung der damaligen Zeit konnten die Frauen jedoch wenig ausrichten. Um die Jahrhundertwende engagierten sie sich für bessere Bildungschancen, Qualifikationen und einen Zugang zu den Universitäten und erzielten erste Siege.
1950er-Jahre: Ein Recht auf Berufstätigkeit für Frauen
Einen herben Rückschlag für die Frauenrechte gab es in den 1930er- und 1940er-Jahren, als der Nationalsozialismus die traditionelle Frauenrolle zurückbrachte. Deutsche Frauen sollten an den Herd und Kinder zur Welt bringen, anstatt sich im Job zu engagieren. Erst Ende der 1950er-Jahre bekamen sie per Gesetz das Recht, auch gegen den Willen ihres Mannes einen Beruf auszuüben. 1958 wurde schließlich ein Gesetz zur Gleichberechtigung erlassen – ein erster, wichtiger Schritt, auch wenn der deutsche Staat über die Jahre immer wieder nachbessern musste.
1970er-Jahre: BGB-Änderung zugunsten der Gleichberechtigung
Erst im Zuge einer Gesetzesänderung von 1977 wurde die Last der Haushaltsführung nicht mehr nur den Frauen, sondern den Eheleuten gemeinsam übertragen. Und wann verpflichtete sich der Staat, die tatsächliche Gleichberechtigung bei Arbeit und Gehalt durchzusetzen? Das war 1994: In diesem Jahr wurde der entsprechende Zusatz in unserem Grundgesetz verabschiedet.
Unglaublich, aber wahr: Erst seit 1962 dürfen Frauen in Deutschland ein eigenes Bankkonto eröffnen! Das ist kaum sechzig Jahre her.
Warum verdienen Frauen weniger Geld? Die Suche nach Gründen für den Gender Pay Gap
Die Fakten: So sieht der Gehaltsunterschied heute aus
Laut Statistischem Bundesamt betrug der durchschnittliche Gehaltsunterschied 2023 18%. Im Westen ist der Gender Pay Gap mit 19% übrigens deutlich höher als im Osten 7%.3 Auch im europaweiten Vergleich schneidet Deutschland eher schlecht ab: Hier liegt die die Gehaltslücke 2022 bei 13% etwas niedriger, nur Estland (21%), Österreich (18%) und Tschechien (18%) wiesen einen noch höheren geschlechtsspezifischen Verdienstabstand als Deutschland auf.4
Warum sind gerechte Löhne so schwer zu erreichen?
Auch wenn wir eigentlich viel weiter sein sollten: Ein wesentlicher Grund für die Gehaltsunterschiede ist die hartnäckige Überzeugung einiger Menschen, dass Frauen weniger belastbar sind, nicht die gleiche Qualifikation mitbringen wie Männer oder ihre Karriere irgendwann sowieso zugunsten der Familie aufgeben. Daher gibt es immer noch Berufe und Positionen, in denen Frauen bei gleicher Ausbildung und Berufserfahrung ein geringeres Gehalt erhalten. Zudem erreichen Frauen seltener Führungspositionen, was die Gehaltsunterschiede noch deutlicher werden lässt.
Auch die Art der Qualifikation schafft eine Gehaltslücke
Die Berufswahl ist ein entscheidender Faktor, wenn es um Gehalt und Karriere geht. Auch heute noch wählen Frauen bevorzugt Berufe und Studiengänge im sozialen Bereich, in denen Werte wie Mitgefühl und Fürsorge gefragt sind. Diese Berufe sind fordernd und verlangen einem auch physisch viel ab – in der Regel sind sie aber nicht gut bezahlt. Auch die Weiterbildungsmöglichkeiten, mit denen man die Gehaltslücke verringern könnte, sind nicht mit denen anderer Bereiche vergleichbar. Bleibt die Frage: Ist es gerecht, dass soziale Berufe trotz der hohen Anforderungen weniger Gehalt einbringen als z. B. Berufe in der Wirtschaft?
Berufsunterbrechungen vergrößern die Gehaltslücke
Allen Vorstößen und Initiativen zum Trotz übernehmen nach wie vor die Frauen den Großteil der Kindererziehungszeiten. Anschließend arbeiten sie oft in Teilzeit weiter. Dadurch fehlen wichtige Berufsjahre und Weiterbildungen, die den Gehaltsunterschied verringern könnten. Die Folge ist eine zunehmende Gehaltslücke ab dem 35. Lebensjahr. Arbeitnehmerinnen akzeptieren für diesen Lebensentwurf Rückstufungen im Gehalt nach der Rückkehr aus der Elternzeit. Sie erlangen seltener Führungspositionen und arbeiten tendenziell in kleineren Betrieben, die schlechter bezahlen.
Ein Teil der Gehaltsunterschiede lässt sich nicht eindeutig begründen
Bereinigt man die Statistiken durch Streichen der oben genannten Ursachen wie:
- langjährige Arbeit in Teilzeit,
- Kindererziehungszeiten,
- geringerer Berufserfahrung,
- Arbeit in schlechter bezahlten Branchen
- und der verpassten Weiterbildungen,
so bleiben 2023 immer noch 6% Gehaltslücke übrig. Diese Zahl gibt den bereinigten Gender Pay Gap oder den Gehaltsunterschied an, der sich schwer mit Fakten erklären lässt.
Der Gender Pay Gap und seine Langzeitfolgen für Frauen
Das dicke Ende kommt meist zum Schluss. Denn die Langzeitfolgen des jahrzehntelangen unterschiedlichen Bruttostundenverdienstes zeigen sich auf dem Rentenbescheid:
- Frauen erhielten 2023 im Durchschnitt ohne Hinterbliebenenrente ganze 39,4% weniger Rente als Männer.5
- Auch hier steht Deutschland im europäischen Vergleich sehr schlecht da. Auf EU-Ebene beträgt der sogenannte Gender Pension Gap 2021 nur 25,4%.6
Diese Zahlen sind vor allem eines: Besorgniserregend und alarmierend. Doch die Ursache ist klar: Die große Gehaltskluft zwischen Mann und Frau. Wo weniger Einnahmen sind ist auch weniger zum Sparen, Anlegen und Einzahlen in die Rentenvorsorge vorhanden.
Der Kampf gegen die Gehaltslücke: Was tut der Gesetzgeber?
Entgelttransparenzgesetz soll Gleichbehandlung erleichtern
Seit 2017 sind Betriebe verpflichtet, die Geschlechter bei gleicher Qualifikation und Voraussetzung gleich zu entlohnen. Eine ungleiche Bezahlung darf es nicht mehr geben. Ab einer bestimmten Zahl von Beschäftigten sind Unternehmen zur Offenlegung der Gehaltsstruktur verpflichtet.
Bessere Bedingungen für weibliche Beschäftigte
Die Verbesserung von Kinderbetreuung und Elterngeld sowie Gesetze für den problemlosen Wiedereinstieg in den Beruf stärken die Position von Arbeitnehmerinnen. So wird die Gehaltslücke verringert.
Mindestlohn erhöht geringe Einkommen
Die Einführung des Mindestlohns sorgt insbesondere in typisch „weiblichen Berufen“ mit sehr niedrigen Löhnen für eine Verbesserung der Einkommenssituation und damit möglicherweise für eine Verringerung der Gehaltsunterschiede.
Führungspositionen für Frauen leichter erreichbar
Das Führungspositionen-Gesetz erleichtert qualifizierten Frauen den Zugang zu oberen Unternehmensebenen und Gehaltsstufen. Um Gehaltunterschiede zu minimieren, regelt das Gesetz beispielsweise eine Frauenquote für Aufsichtsräte.
Initiativen für eine freie Studium- und Berufswahl
Es gibt vermehrt private und staatliche Initiativen, die insbesondere Mädchen und jungen Frauen bestimmte Branchen und Berufe nahebringen. So bekommen sie die Möglichkeit, in „männertypische“ Branchen einzusteigen, gelangen in gut bezahlte Positionen und können die Gehaltslücke weiter schließen.
Equal Pay Day sorgt für mehr Aufmerksamkeit
Der Equal Pay Day ist ein Tag, an dem symbolisch an die Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern erinnert wird. Der Termin, der aktuell im März liegt, symbolisiert den Tag, an dem Frauen beginnen, Geld zu verdienen – während die Männer für ihre Tätigkeit schon seit Anfang des Jahres bezahlt werden. Der Equal Pay Day schafft jedes Jahr deutschlandweit Aufmerksamkeit für die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen. So verdienten Frauen in Deutschland im Jahr 2023, durchschnittlich 18% weniger pro Stunde als Männer.
Das kannst Du selbst gegen die Gehaltslücke tun
Durch clevere Berufswahl die Aussichten verbessern
Du musst dich nicht verbiegen, nur um mehr Geld zu verdienen. Trotzdem macht es Sinn, die Branche, für die du dich interessierst, vorab auf Gehalts- und Weiterbildungschancen zu prüfen. Interessierst du dich für typische „Männerberufe“, dann lass dich nicht entmutigen. Frauen steht heute jede Berufsrichtung offen.
Entscheidest du dich für eine Branche mit eher geringem Verdienst, dann ist es besonders wichtig, frühzeitig an die Altersvorsorge zu denken. Der Staat unterstützt dich zum Beispiel bei der Riester-Rente mit Förderungen, damit sich die Gehaltslücke nicht bis zur Rente durchzieht.
Sei bei Gehaltsverhandlungen selbstbewusst
Es ist nicht immer leicht, gegenüber dem Chef oder der Chefin klar zu sagen, was man will. Aber mach dir bewusst: Deine Tätigkeit, deine Qualifikation und deine Leistungen sind mit denen von Männern absolut vergleichbar und sollte deshalb entsprechend entlohnt werden. Gehaltsunterschiede haben keine Chance, wenn du dich vor Gehaltsverhandlungen oder einer Bewerbung über die angemessene Bezahlung in diesem Job informierst. Denke auch an zusätzliche Entlohnung wie vermögenswirksame Leistungen, einen Firmenwagen oder eine betriebliche Altersvorsorge . Wenn andere in deinem Unternehmen sie bekommen, dann stehen sie dir auch zu.
Frage regelmäßig nach mehr Gehalt
Eine jährliche Gehaltsüberprüfung ist in vielen Brachen üblich. Doch die Vorgesetzten bieten diese meist nicht von sich aus an. Oft entsteht eine Gehaltslücke zu Kolleginnen und Kollegen, weil du deine Chance auf eine Gehaltsverhandlung verpasst. Es ist deine Aufgabe, eine Gehaltserhöhung offen anzusprechen und deine Leistungen positiv hervorzuheben.
Kindererziehungszeiten und Teilzeitjobs aktiv verhandeln
Viele Frauen wollen vor allem die ersten Lebensjahre ihrer Kinder miterleben. Diese Zeit ist kostbar – und gleichzeitig ist sie ein Fulltime-Job ohne Entlohnung. Nicht jede kann es sich leisten, mehrere Jahre zur Kindererziehung zuhause zu bleiben. Aber wenn du selbst aktiv wirst, findet sich häufig eine Lösung: Sprich mit deinem Partner oder deiner Partnerin und deinem Arbeitgeber und nutze Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um deine Gehaltslücke zu verringern. Denn leider ist es ein Fakt, dass Teilzeitarbeit die Gehaltsunterschiede verstärkt und die Chancen auf eine Führungsposition in den meisten Fällen mindert.
Rentenlücke mindern
Erziehungszeiten und Teilzeitarbeit bringen nicht nur Gehaltsunterschiede mit sich. Sie öffnen auch eine Rentenlücke, die du nicht unterschätzen solltest. Du milderst die fehlende Altersrente deutlich ab, indem du zusätzlich in eine Privatrente einzahlst.
Starke Frauen gehen gegen Gehaltsunterschiede an
Statistiken belegen, dass die Gehaltslücke zwischen den Geschlechtern existiert. Der Unterschied ist vielfach strukturell bedingt, verursacht durch schlecht bezahlte Arbeitsstellen, Teilzeitjobs und Berufsunterbrechungen für familiäre Verpflichtungen. Mit Programmen, Gesetzen und Initiativen gehen offizielle Institutionen gegen diese Ungerechtigkeit vor. Aber auch du selbst kannst dich gegen die Gehaltslücke wehren und dich für die eigenen Finanzen starkmachen. Selbstbewusste Gehaltsverhandlungen, Weiterbildungen und eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind die Schlüsselfaktoren für eine gleichwertige Bezahlung.