Alles, was Recht ist…

30.05.2023 – Dr. Patricia Cronemeyer zählt zu den führenden Anwältinnen im Medienrecht in Deutschland. Im Interview erzählt sie von ihrer Arbeit mit Prominenten, den Wandel des Medienrechts und die Gefahren des Internets.

Wenn es um Medienrecht geht, gehört die Rechtsanwältin Dr. Patricia Cronemeyer zu den ersten Adressen in Deutschland. Mit ihrer Kanzlei in Hamburg vertritt sie auch bekannte Persönlichkeiten aus dem nationalen und internationalen Showbusiness. Im Interview erzählt die gebürtige Münchnerin, wie sich durch den Medienwandel ihre Arbeit verändert hat – und wie gefährlich das Internet sein kann, auch für jeden Einzelnen von uns.

Sie zählen zu Ihrer Mandantschaft viele Prominente aus Sport, Kultur und Unterhaltung, aber auch Unternehmer und Führungskräfte aus Wirtschaftskreisen. Menschen, die erfolgreich sind, mitten im Leben stehen und vielleicht auch von selbigem verwöhnt sind. Wie wichtig ist es, gerade gegenüber diesen Menschen „persönlich, verlässlich und loyal zu sein“, wie Sie es auf Ihrer Website ankündigen?

Patricia Cronemeyer: Gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung sind die Voraussetzungen für eine gute Beratung. Da spielt der soziale Status oder der Lifestyle für mich keine Rolle. Natürlich habe ich bei erfolgreichen Persönlichkeiten großen Respekt vor deren Leistungen. Trotzdem verläuft unsere Kommunikation auf Augenhöhe. Denn in erster Linie geht es darum, sich gemeinsam Herausforderungen zu stellen und mit guter Strategie zum Erfolg zu kommen.

Sie sind unter anderem auf Presse- und Medienrecht spezialisiert. Für einen Normal-Menschen schwer zu verstehen. Wo ist der Unterschied?

PC: Das Presserecht ist ein Teil des Medienrechts. Es regelt vereinfacht gesagt die Rechte und Pflichten von Journalistinnen und Journalisten. Im Kern geht es dabei meist um das Abwägen zwischen dem Persönlichkeitsrecht von denjenigen, über die berichtet wird, und dem Recht auf freie Meinungsäußerung.

Das Medienrecht ist viel umfassender und regelt, wie über Medien verbreitete Inhalte genutzt werden dürfen. Da geht es beispielsweise um Schleichwerbung, um Datenschutz, um das Recht auf geistiges Eigentum und um Jugendschutz.

Sie haben im vergangenen Jahr gegen eine bekannte Influencerin ein Urteil erstritten…

PC: Ich habe tatsächlich schon Urteile für Mandanten erstritten, die sich gegen einzelne Äußerungen und Verbreitungen von Influencern gewehrt haben.

Es ging dabei grundsätzlich nicht um „Streit“ im wörtlichen Sinn oder um eine persönliche Auseinandersetzung, sondern darum, Rechtssicherheit zu schaffen. Denn gerade bei Influencern gab es eine breite rechtliche Grauzone zwischen „erlaubt“ und „nicht erlaubt“. Es war nicht immer klar, was Influencer dürfen und was nicht. Dazu hat der Bundesgerichtshof mit diversen Entscheidungen im vergangenen Sommer eine wichtige Orientierung gegeben, in das sich das von Ihnen erwähnte Urteil einfügt. Hierbei geht es übrigens, wie gerade erwähnt, um medienrechtliche Aspekte.

Das heißt für den Laien erklärt?

PC: Wenn Influencer/Content Creators für ihre Arbeit eine Gegenleistung erhalten, sei es Geld oder eine andere Zuwendung, muss die entsprechende Veröffentlichung als Werbung gekennzeichnet werden. Damit ganz klar wird: Das Posting passiert nicht aus Begeisterung für ein Produkt oder eine Marke, sondern es hat einen kommerziellen Hintergrund. Gerade das hilft jungen Menschen, bei den digitalen Botschaften ihrer Idole zu differenzieren. Die Influencer/Creators zeigen sich ja gern von ihrer privaten Seite, die sie aber, oft nicht erkennbar, mit beruflichen, kommerziellen Aspekten vermischen. Das ist Schleichwerbung und damit unzulässig.

Wie hat das Internet generell Ihre Arbeit als Juristin verändert?

PC: Das Internet mit seiner Informationsflut ist für uns eine große Herausforderung. Nehmen wir als Beispiel reputationsschädigende Behauptungen, die in den sozialen Medien kursieren. Diese Art von Verleumdungen können jeden von uns treffen.

Umso wichtiger ist es, sich sofort dagegen zu wehren. Das Netz vergisst nichts, wenn wir diese Inhalte nicht löschen.

Das heißt prinzipiell?

PC: Es gibt im Netz Behauptungen über Firmen, die ins Unternehmensrecht eingreifen, die Ehre von Führungspersönlichkeiten herabsetzen und die Glaubwürdigkeit schädigen. Oft werden solche Kampagnen professionell von anonymen Webseiten aus initiiert, deren Urheber nicht identifiziert werden können. Im Internet aber verbreiten sich diese Informationen sehr schnell. Oft mit weitreichenden Konsequenzen, wenn der oder die Betroffene, die Unternehmen, nicht sofort eingreifen.

Weil, wie schon von Ihnen angesprochen, die Informationen…

PC: …weil die Informationen anderenfalls immer und für jeden verfügbar sind. Zum Beispiel auch für Banken, wenn es um die Finanzierung von neuen Projekten eines betroffenen Unternehmens geht. Im worst case beeinflussen die Verleumdungen die Entscheidung eines Kreditinstitutes. Das sind mögliche Folgen, wenn das Unternehmen die rufschädigenden Äußerungen und Verleumdungen über sie widerspruchslos im Netz stehenlässt. Das Gleiche gilt für Personen des öffentlichen Lebens: Wenn durch den „Rufmord“ verhandelte Werbeverträge storniert werden, hat das unter Umständen existenzielle Folgen. Das Internet begleitet uns, drastisch ausgedrückt, rund um die Uhr und lebenslang.

Wie können wir uns das konkret vorstellen?

PC: Im Internet ist alles möglich. Es geht in der Wirtschaft auch um gezielte Attacken mit der Absicht, einen wirtschaftlichen Schaden zu verursachen. Dahinter stehen dann z. B. Konkurrenzunternehmen, die diese Kampagne versteckt und geschickt initiieren. Und sogar gegen Erpressungsversuche musste ich Mandanten schon schützen. Meist gehen die Aktionen von professionell aufgesetzten Webseiten aus, die bei Google hoch gelistet sind. Die Artikel sind auf Deutsch verfasst von Journalisten, die auch in einem Impressum aufgeführt sind und seriös wirken. Das Problem ist aber, dass es diese Journalisten gar nicht gibt und wir somit niemanden persönlich zur Rechenschaft ziehen können. Meist stecken Briefkastenfirmen dahinter oder es wird über Server in den USA gehostet, auf die wir keinen Zugriff haben.

Klingt ziemlich aussichtslos…

PC: Das ist es aber nicht, weil wir uns direkt an die Suchmaschinenbetreiber wenden. Je schneller, umso besser.

Und wie groß sind die Chancen, dass dann gelöscht wird – und vor allem, wie lange dauert das?

PC: Das kann sogar sehr schnell gehen. Wenn sich Rechtsanwälte einschalten, nimmt beispielsweise Google das sehr ernst. So lassen sich erfahrungsgemäß auch kurzfristig Ergebnisse erzielen und die Links werden manchmal sogar binnen zwei Tagen gelöscht. Für Einzelpersonen hingegen wird es komplizierter. Die Suchmaschinenbetreiber müssen zwar entsprechende Meldeformulare bereitstellen. Diese sind jedoch komplex gestaltet und oftmals so gut im Netz „versteckt“, dass eine Beanstandung erschwert wird.

Eine einstweilige Verfügung bedeutet, dass der Suchmaschinenbetreiber Informationen löscht?

PC: Bei einer einstweiligen Verhandlung handelt es sich um ein gerichtliches Verbot, gewisse Äußerungen in Zukunft erneut zu verbreiten. Dies umfasst bei Online-Berichterstattungen die Pflicht zur Löschung der streitgegenständlichen Behauptungen. Suchmaschinenbetreiber sind danach verpflichtet, den sogenannten Ergebnislink zu löschen, der die falschen Behauptungen enthält.

Betrifft diese Art von Internetkriminalität jetzt mehrheitlich Unternehmerinnen oder Unternehmer?

PC: Das lässt sich so pauschal nicht sagen. In manchen Fällen handelt es sich wie eingangs gesagt um gezielte Initiativen, um Konkurrenzunternehmen zu schaden. Aber auch Prominente werden Opfer von Erpressern, die beispielsweise private Accounts hacken und mit der Veröffentlichung intimer Fotos oder privater Informationen drohen.

Das ist aber kein Suchmaschinenbetreiber der Ansprechpartner – oder doch?

PC: Wenn sich der Urheber nicht ermitteln oder zur Verantwortung ziehen lässt, kann ich in jedem Fall die Suchmaschinenbetreiber als mittelbare Störer in die Pflicht nehmen und zur Löschung auffordern.

Gibt es denn den optimalen Schutz? Wie sollen sich Prominente, CEOs präventiv verhalten?

Der beste Schutz besteht darin, der Öffentlichkeit keine oder nur wenige Einblicke in das Privatleben zu gewähren.

Das fällt nicht nur prominenten Persönlichkeiten aus dem Showbusiness manchmal schwer. „Personal Branding“ mit Home-Stories oder Impressionen aus dem Urlaub gehören heute auch bei Führungskräften aus Unternehmen zur Selbstinszenierung. Dabei wird das Risiko der „Selbstöffnung“ – so der juristische Fachbegriff – unterschätzt. Vereinfacht gesagt bedeutet das: Im gleichen Maße, wie eine Person sich für die Medien öffnet, dürfen diese auch über das Privatleben berichten. Anders formuliert: Wer seine eigene Hochzeit vermarktet, muss auch die Schlagzeilen zur schmutzigen Scheidung in Kauf nehmen. Ich rate meiner Mandantschaft daher immer zur Zurückhaltung. Das Gleiche gilt übrigens auch für vertrauliche Interna aus Unternehmen, denn auch bei den Unternehmen kann eine Selbstöffnung zum juristischen Eigentor werden.

Ist das nicht auf den ersten Blick ein aussichtsloser Kampf wie bei David gegen Goliath?

PC: Aufmerksamkeit ist heute eine harte Währung und auch die sogenannten Qualitätsmedien erliegen der Versuchung, mit einer reißerischen Headline oder einem verstörenden Gerücht hohe Klickraten zu erzielen. Aber: Jeder kann sich wehren und sollte das auch tun.

Wenn man Ihren Namen googelt, stößt man auf viele Rote-Teppich-Bilder, vor allem in Hollywood. Sie mit Brad Pitt, Leonardo di Caprio, Denzel Washington, Nicole Kidman und anderen Stars zum Beispiel bei den begehrten Golden Globes. Eine Verleihung, die eine ähnliche Priorität für die Unterhaltungsindustrie wie der Oscar hat. Ist das privat oder noch Business?

PC: Das Rampenlicht überlasse ich gern meinen Mandantinnen und Mandanten aus dem Showbusiness. Aber ich muss mit ihrem beruflichen Umfeld vertraut sein, um ihnen eine gute Beraterin zu sein. Wobei der Hauptteil meiner Arbeit nicht auf dem Red Carpet, sondern völlig unspektakulär im Büro oder am Gericht stattfindet.

Über ihr Privatleben wollen Sie logischerweise nicht viel erzählen. Außer, dass Sie gerne mit Ihren beiden Hunden joggen. Sport gehört zu Ihrem Leben. Die Ausdauer und den Ehrgeiz, den Sie dabei entwickeln, sei auch wichtig für Ihren Beruf. Es ist auch bekannt, dass Sie mit Otto Waalkes befreundet sind, mit dem Sie gerne Tennis spielen. Bei einer großen Charityveranstaltung des Vereins Kinderlachen, für den Sie sich engagieren, haben Sie in der vollbesetzten Westfalenhalle in Dortmund eine Laudatio auf ihn gehalten. Gehört das dann auch zum Berufsumfeld oder ist es eine soziale gesellschaftliche Verantwortung, die Sie als Mensch einfach empfinden?

PC: Für mich spielt soziales Engagement eine sehr große Rolle. Ich möchte mein Wissen, meine Erfahrung und auch mein Netzwerk denjenigen zur Verfügung stellen, die nicht auf der Sonnenseite stehen. Ich will dazu beitragen, diesen Menschen eine Chance zu geben, sich im Leben zu entfalten. Bei Kinderlachen e. V. können wir mit kleinen Weichenstellungen großartige Hilfe leisten. Das Gleiche gilt für den EAGLES Charity Club, bei dem ich seit vielen Jahren im Vorstand bin. Doch auch die gezielte Förderung von jungen Unternehmerinnen und Unternehmern liegt mir am Herzen. Dafür engagiere ich mich bei der Bildungsplattform „Startup Teens“.

Warum sind Sie Anwältin geworden?

PC: Auch wenn es ein Klischee bedienen würde: Ich hatte nicht schon als Kind den Wunsch, Anwältin zu werden. Bei der Entscheidung fürs Studium hat mich Jura neugierig gemacht – und dann in den Bann gezogen. Ich liebe das strategische Herangehen, bei dem am Ende immer eine gute Lösung stehen muss.