Was Le Pen für die Währungsunion bedeutet

Ein möglicher Sieg Le Pens bei der Neuwahl der Nationalversammlung setzt französische Staatsanleihen unter Druck.

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Dr. Jörg Krämer, Bernd Weidensteiner

Commerzbank Economic Resarch

14. Juni 2024

Eine funktionierende Währungsunion setzt nämlich eine enge Kooperation der Mitgliedsstaaten voraus, was rechte Parteien jedoch als Eingriff in die nationale Souveränität ablehnen. Das erhöht den Druck auf die EZB, als wirtschaftspolitischer Ausputzer einzugreifen. Bei einem Wahlsieg Le Pens käme es am Staatsanleihenmarkt wohl nicht zu einer Krise.

Le Pen könnte Neuwahlen gewinnen ...

Die Europawahlen haben in Frankreich ein politisches Erdbeben ausgelöst. Der rechtsnationale Rassemblement National (RN), die Gruppierung von Marine Le Pen, holte mit 31,4% mehr als doppelt so viele Stimmen wie das Bündnis von Präsident Macron (14,9%). Dieser reagierte hierauf noch am Sonntag mit der ersten vorzeitigen Parlamentsauflösung seit 1997. Am 30. Juni und am 7. Juli wird nun in zwei Runden eine neue Nationalversammlung gewählt.

Angesichts des starken Abschneidens des RN bei den Europa-Wahlen ist es gut möglich, dass die Partei von Marine Le Pen auch in der Nationalversammlung deutlich stärker wird und am Ende die Regierung stellt. Damit gäbe es zum ersten Mal seit 2002 eine sogenannte "Cohabitation", bei der Präsident und Premierminister verschiedenen Parteien angehören. Der Präsident würde zwar weiter die Außenpolitik dominieren und bliebe Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Aber die Innen-, Wirtschafts-, Finanz- und Verteidigungspolitik fiele in die Zuständigkeit der Regierung.

Chef einer solchen Regierung des RN würde wohl Jordan Bardella, der 28-jährige Vorsitzende der Partei und erfolgreiche Spitzenkandidat bei der Europawahl. Der RN hat bereits klargemacht, welche Schwerpunkte er setzen würde: Projekten wie dem Green Deal (ohnehin unter Druck) oder einer europäischen Migrationspolitik wurde eine klare Absage erteilt. Man würde sich gegen jede Erweiterung oder Vertiefung der EU sperren und insbesondere die Sicherheitspolitik fest in nationaler Hand behalten. Auch wenn der RN nicht mehr den "Frexit" – also den Austritt Frankreichs aus Währungsunion und EU – fordert, will man ein Europa á la Carte. Frankreich würde nur an solchen EU-Projekten teilnehmen, die gemäß RN im nationalen Interesse liegen, und man will dort auch noch die Regeln bestimmen.

... und die Regierung stellen

Wie wahrscheinlich ein Wahlsieg des RN ist, lässt sich wegen des französischen Wahlrechts schwer einschätzen. Anders als bei der Europa-Wahl, bei der ein Verhältniswahlrecht gilt, wird bei den Wahlen zur französischen Nationalversammlung das Mehrheitswahlrecht angewendet. Erreicht in einem Wahlkreis in der ersten Runde kein Kandidat die absolute Mehrheit – was bei früheren Wahlen meistens der Fall war – kommt es zu einer zweiten Wahlrunde, bei der alle Kandidaten antreten dürfen, die im ersten Durchgang mehr als 12,5% der Stimmen errungen haben. In früheren Wahlen wurde ein Sieg eines RN-Kandidaten in der zweiten Runde häufig dadurch verhindert, dass sich die meisten der "traditionellen" Parteien darauf verständigten, dass nur der stärkste ihrer Kandidaten zur zweiten Runde antritt. Bei der Wahl 2022 hatte dieser Konsens aber bereits deutliche Risse bekommen, sodass der RN im Parlament mit 89 von insgesamt 577 Parlamentssitzen weitgehend im Einklang mit seinem Stimmenanteil in der ersten Wahlrunde (18,7%) vertreten war. Würde ihm ähnliches wieder gelingen, würde eine Regierungsbildung ohne seine Beteiligung wohl sehr schwerfallen, zumal der RN ohne eine Kooperation der anderen Parteien sogar von dem Mehrheitswahlrecht profitieren und mit einem Stimmenanteil von über 30% wie bei der Europa-Wahl sogar an die absolute Mehrheit heranreichen könnte. Präsident Macron hat zwar an die anderen Parteien appelliert, zu dem alten Konsens zurückzukehren, hat damit bisher aber keinen sichtbaren Erfolg gehabt. Seine eigene Partei würde nach dem schwachen Abschneiden bei der Europa-Wahl und mit Blick auf die jüngsten Umfragen wohl kaum eine Mehrheit erringen.

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