EZB – Vier Argumente gegen eine Zinssenkung in dieser Woche

Am Donnerstag dürfte die EZB ihre Leitzinsen erneut senken – nur fünf Wochen nach der letzten Zinssenkung Mitte September.

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Dr. Jörg Krämer

Commerzbank Economic Research

14. Oktober 2024

Gegen diesen Schritt sprechen vier Argumente.

Bis vor kurzem gingen die Volkswirte davon aus, dass die EZB ihre Leitzinsen das nächste Mal erst im Dezember senkt, wenn sie die neuen Prognosen für die Inflation und die Konjunktur veröffentlicht. Doch mittlerweile rechnen die Anleger fest damit, dass die EZB ihre Zinsen bereits auf der Sitzung am Donnerstag reduziert – nur fünf Wochen nach dem letzten Zinsschritt Mitte September

Auf den ersten Blick gibt es gute Gründe für ein schnelleres Tempo beim Senken der Zinsen. Schließlich ist mit dem Einkaufsmanagerindex ein wichtiger konjunktureller Frühindikator für den Euroraum nahe an den Rezessionsbereich gerutscht. Außerdem ist zuletzt auch die Kerninflation gefallen, also die Teuerungsrate ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel. Trotzdem wäre ein schnelleres Zinssenkungstempo riskant:

  • Erstens dürfte die Kerninflation auch deshalb gesunken sein, weil die gefallenen Energiepreise etwa über Transportdienstleistungen auf die Kerngröße der Verbraucherpreise durchschlugen und sie indirekt senkten. Genau das war im Herbst vergangenen Jahres zu beobachten. Aber bereits kurz nach der Jahreswende verpuffte dieser Effekt und die im Hintergrund stark steigenden Löhne ließen die Kernteuerung wieder anziehen.
  • Zweitens hat sich der Anstieg der Tariflöhne im Euroraum in der Zwischenzeit weiter beschleunigt und bei hohen 4,5 Prozent eingependelt, was nicht mit dem Inflationsziel der EZB von 2% vereinbar ist. Anders als von der EZB behauptet hat sich der Lohnanstieg noch nicht abgeschwächt.
  • Drittens leiden viele Unternehmen im Euroraum noch immer unter einem Mangel an Arbeitskräften. Rund ein Fünftel der Unternehmen sieht sich dadurch in ihren Geschäften behindert – viel mehr als im Durchschnitt der zurückliegenden zwanzig Jahre. Wenn die EZB in dieser Situation die Zinsen senkt, facht sie damit mittelfristig die Investitionsnachfrage der Unternehmen an und verschärft die Knappheiten am Arbeitsmarkt. Das dürfte die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer wieder erhöhen, was zu hohen Lohnabschlüssen und Inflationsraten führen würde.
  • Viertens ist nach Phasen einer hohen Inflation grundsätzlich Vorsicht angebracht. Unternehmen und Bürger werden sich noch lange an den Inflationsschock erinnern; die langfristigen Inflationserwartungen sind nicht mehr so gut bei 2% verankert wie in den Jahren vor Corona. Deshalb sollte die EZB länger als sonst an einer restriktiven Geldpolitik festhalten. Ansonsten droht der Kampf gegen die Inflation wie nach den Ölpreisschocks der 70er Jahre wieder daran zu scheitern, dass die Zentralbank ihre Politik zu früh lockert.

Alles in allem wäre es riskant, wenn die EZB ihre Zinsen bereits am kommenden Donnerstag erneut senkt und das Zinssenkungstempo erhöht.

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