EZB – Eine riskante Zinssenkung

Die EZB hat ihre Leitzinsen heute wie erwartet nur fünf Wochen nach dem letzten Zinsschritt erneut gesenkt.

17.10.2024

Die zuletzt schwächeren konjunkturellen Frühindikatoren, der energiebedingte Rückgang der Inflation und das große Übergewicht der Tauben im EZB-Rat lassen es als ziemlich sicher erscheinen, dass die EZB ihre Geldpolitik auf der nächsten Sitzung im Dezember erneut lockern wird, auch wenn das höhere Zinssenkungstempo mit Blick auf die stark steigenden Löhne riskant ist.

Auf der letzten Pressekonferenz Mitte September hatte EZB-Präsidentin Lagarde den Eindruck erweckt, dass die EZB ihre Zinsen erst im Dezember wieder senken würde, wenn sie ihre neuen volkswirtschaftlichen Prognosen veröffentlicht. Doch mit dem Einkaufsmanagerindex hat ein wichtiger Frühindikator für die Wirtschaft im Euroraum zuletzt enttäuscht. Außerdem fiel die Inflation im September niedriger aus als erwartet. Darauf hatte Christine Lagarde in einer Rede Ende September überraschend deutlich reagiert und eine Zinssenkung bereits für Oktober in Aussicht gestellt. Genau die hat die EZB heute geliefert; der Einlagensatz fiel um 25 Basispunkte auf 3,25%. Ebenfalls wie erwartet, begründete die EZB den Schritt mit den zuletzt schwächeren Daten. Dadurch sei der Disinflationsprozess auf einem guten Wege. Die EZB ist sich etwas sicherer, dass die Inflation mittelfristig zu ihrem 2%-Ziel zurückkehren wird.

Von nun an Zinssenkung auf jeder Sitzung?

Wegen dieser optimistischeren Sicht stand während der Pressekonferenz die Frage im Vordergrund, ob die EZB ihre Zinsen von nun an weiter auf jeder Sitzung und nicht nur einmal im Quartal senkt. Aber Lagarde wiederholte ihre übliche Aussage, dass sich die EZB nicht vorab festlege und von Sitzung zu Sitzung mit Blick auf die Daten entscheide. Lagarde verneinte, dass sie bereits die Tür für eine weitere Zinssenkung im Dezember geöffnet habe.

Zinssenkung im Dezember ist faktisch gesetzt

Allerdings sollte man die Betonung der vorgeblichen Datenabhängigkeit der EZB-Zinsentscheidungen nicht überbewerten. Die EZB dürfte ihre Zinsen weiter senken, sofern es die Daten halbwegs hergeben. Der jüngste Rückgang der konjunkturellen Frühindikatoren dürfte ohnehin schwache harte Konjunkturdaten nach sich ziehen. Auch der Rückgang der Energiepreise dürfte noch ein, zwei Monate auf die Kerninflation (ohne Energie und Nahrungsmittel) durchschlagen und sie indirekt senken – etwa über die Transportdienstleistungen. Insofern ist eine weitere Zinssenkung im Dezember faktisch gesetzt.

Nach der Jahreswende dürfte die EZB ihre Zinsen weiter senken. Damit sie ihre Geldpolitik jedoch nicht auf jeder Sitzung lockert, müssten sich die Frühindikatoren wieder erholen und die Phase der energiebedingt niedrigen Anstiege der Kern-Verbraucherpreise enden. Für letzteres sprechen die Löhne, die noch immer deutlich stärker zulegen, als mit dem Inflationsziel der EZB vereinbar. Dieser starke Kostenschub sollte die unterliegende Inflation mittelfristig wieder erhöhen. Insofern ist die heutige Zinssenkung nur fünf Wochen nach dem letzten Zinsschritt riskant.

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