Trump oder Harris – wenig Spielraum

Vizepräsidentin Harris hat sich nach dem Rückzug Joe Bidens überraschend schnell den Zugriff auf die Kandidatur der Demokraten gesichert.

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Bernd Weidensteiner

Commerzbank Economic Research

25. Juli 2024

Ihr wirtschaftspolitisches Programm dürfte in großen Teilen eine Fortsetzung der Agenda von Joe Biden sein, auch wenn sie einige andere Akzente setzen wird. Der Handlungsspielraum der nächsten Administration dürfte aufgrund der schwiegen Haushaltslage jedoch beschränkt sein.

Erste Konturen des Wirtschaftsprogramms von Harris...

Vizepräsidentin Harris hat sich sehr schnell die Unterstützung ihrer Partei und die notwendigen Delegiertenstimmen für eine Nominierung als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten gesichert hat, dürfte sie bad auch offiziell hierzu ernannt werden. Ob das an der bisherigen Favoritenrolle Trumps etwas ändert, kann noch nicht beurteilt werden. Es wird mehrere Wochen dauern, bis Umfragen tragfähige Aussagen ermöglichen.

Harris wirtschaftliches Programm wird sich wohl zum großen Teil an dem der Biden-Administration orientieren. Daneben lassen verschiedene Aussagen von Kamala Harris in den letzten Jahren, vor allem die im Zuge ihrer gescheiterten Bewerbung als demokratische Präsidentschaftskandidatin im Jahr 2020, auf einige eigene Akzente schließen. Kernpunkte werden wohl sein:

  • Eine Verlängerung der Steuererleichterungen für alle Einkommen unter 400 Tsd Dollar pro Jahr: Dies hat bereits Präsident Biden ins Spiel gebracht. Schätzungen des Committee for a Responsible Federal Budget (CRFB) zufolge würde das, abhängig von der konkreten Ausgestaltung, in den kommenden zehn Jahren zwischen 1,6 und 2,5 Billionen Dollar kosten. Die Steuersenkungen für die hohen Einkommen sollen dagegen wie vorgesehen Ende 2025 auslaufen.
  • Eine Erhöhung der Körperschaftssteuer: Bei ihrer Kandidatur 2020 hatte Harris eine Erhöhung von 21% auf 35% ins Spiel gebracht; damit würde die Unternehmenssteuer wieder auf das Niveau von vor der Trump'schen Steuersenkung zurückkehren (im Unterschied zur Senkung der Einkommensteuern hat die Senkung der Unternehmenssteuer kein Ablaufdatum). Eine so starke Erhöhung erscheint allerdings unrealistisch. Harris wird sich wohl eher an den Vorschlägen Bidens orientieren, der eine Anhebung auf 28% in Spiel gebracht hat.
  • Bezahlbares Wohnen: Dies war 2020 eine Kernforderung von Harris. Wie in vielen anderen Ländern ist auch in den USA in zahlreichen Regionen Wohnraum knapp, was als wichtiger Hemmschuh für die Wirtschaft gilt. Harris schlug Wohnzuschüsse für die Bezieher niedrigerer Einkommen vor. Darüber hinaus brachte sie Zuschüsse von 100 Mrd Dollar ins Spiel, um bei Hypothekenkrediten benachteiligten Personen beizuspringen. Die Biden-Adminstration hatte kürzlich eine Deckelung des Mietanstiegs auf 5% bei Wohnungsunternehmen ins Spiel gebracht.
  • Ökologischer Umbau der Wirtschaft: Die ökologische Umstellung der Wirtschaft soll weiter gefördert und die Förderung von Öl und Gas durch Fracking weiter eingeschränkt werden. Letzteres wäre eine Änderung gegenüber der Praxis der Biden-Regierung. Schließlich wurde die Förderung fossiler Energien in den letzten Jahren deutlich gesteigert. Drastische Beschränkungen dürften aber am Widerstand auch einiger demokratisch regierter Bundesstaaten, die Öl fördern, scheitern.
  • Einschränkungen im Außenhandel: Die erhöhten Zölle auf Importe aus China dürften beibehalten werden. Zudem wird wohl der Export von Hochtechnologie nach China weiter einschränkt werden. Harris ist ohnehin nicht als Freihändlerin in Erscheinung getreten; sie hatte als eine von 10 Senatoren gegen das unter Trump ausgehandelte Update der Nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA gestimmt. Zudem war sie gegen weitere Freihandelsabkommen wie die Transpazifische Partnerschaft TPP. Ohnehin sind weitere Freihandelsabkommen in den USA nicht durchsetzbar; der politische Wind hat sich hier gedreht.

... aber es gibt keinen Spielraum für große Sprünge

Egal, welcher Kandidat die Wahl im November gewinnt: Die Haushaltslage dürfte den Handlungsspielraum der nächsten Administration deutlich beschränken. Dies wird in Washington für beträchtliche politische Anpassungsschmerzen sorgen. Schließlich hatte sich in den letzten Jahren dort niemand für die exorbitanten Defizite interessiert. Vor dem Hintergrund verschiedener Notlagen, zuvorderst die Corona-Krise, und der lange Zeit niedrigen Zinsen war dies auch nachvollziehbar.

Jetzt haben sich die Rahmenbedingungen aber deutlich verschlechtert. Wie gering der Spielraum ist, zeigt die Basis-Projektion des Rechnungshofes (Congressional Budget Office, CBO) für das Defizit in den kommenden zehn Jahren. Hier sind sogar noch recht günstige Bedingungen unterstellt. Denn das CBO errechnet seine Projektionen auf Basis der aktuellen Gesetzeslage, und diese sieht ein komplettes Auslaufen der Einkommensteuersenkungen ab Ende 2025 vor. Dies würde das Budget um etwa 1% des BIP pro Jahr entlasten. Allerdings dürften diese Senkungen entweder ganz (so zumindest das Versprechen Trumps) oder doch teilweise (der demokratische Plan) verlängert werden.

Das CBO geht davon aus, dass das Defizit von vermutlich 6,7% im laufenden Haushaltsjahr 2024 in den Jahren ab 2026 leicht fällt (die Wirkung der Wiedererhöhung der Einkommensteuer), dann aber wieder zunimmt und schließlich 7% erreicht. Mit anderen Worten: es ist kaum eine Entlastung zu erwarten. Neue Programme würden das ohnehin sehr hohe Defizit weiter erhöhen und die langfristige Tragfähigkeit der Staatsfinanzen noch stärker untergraben.

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