„Die Commerzbank ist jetzt besonders gefragt“
Im RND-Interview betont Privat- und Unternehmerkundenvorstand Thomas Schaufler die Relevanz von Commerzbank und comdirect und sieht "noch viel Wachstumspotenzial".
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung vom RedaktionsNetzwerk Deutschland
28.03.2025
Die Commerzbank hat ihre Strategie überarbeitet und sich ehrgeizigere Gewinnziele gesetzt. Musste dafür erst die Unicredit mit ihrem Übernahmeplan vor der Tür stehen, Herr Schaufler?
Die ganz kurze Antwort: Nein. Zum einen hatten wir im Oktober 2024 einen Wechsel an der Vorstandsspitze, zum anderen haben wir in den vergangenen zwei, drei Jahren sehr starke Ergebnisse über unserer ursprünglichen Planung abgeliefert. Da ist es ganz normal, dass wir uns als Vorstandsteam die Strategie und Planung noch einmal anschauen und aktualisieren. Wir wollen und müssen für unsere Aktionäre eine attraktive und nachhaltige Wertsteigerung erzielen. Mit unserer Strategie Momentum werden wir das noch schneller und besser erreichen.
Ihr Bereich, die Privat- und Unternehmerkunden, spielt in den Plänen eine Schlüsselrolle. Aber ist dieses Geschäft nicht längst ausgereizt?
Wir haben mit unseren beiden Marken noch viel Wachstumspotenzial. Die Commerzbank als Beraterbank und die Comdirect als digitale Hauptbank und Leistungsbroker ergänzen sich sehr gut, daraus werden wir noch mehr machen. Aktuell wünscht sich knapp die Hälfte der Kunden Beratung und Filiale, etwas mehr als die Hälfte ist mit reinem Onlinebanking sehr zufrieden. Wir haben beides und können sie begleiten. Ein wichtiges Wachstumsfeld ist auch das Asset und Wealth Management. Denn als Commerzbank sind wir mit unserer tiefen Verankerung im Mittelstand auch bei der privaten Vermögensverwaltung besonders gefragt.
Das hören wir aber auch nicht zum ersten Mal....
Wir gehen den Ausbau unseres Angebots für vermögende und institutionelle Kundinnen und Kunden sehr konsequent an. Dazu gehört, dass wir unsere Angebotspalette im Asset Management auch durch Zukäufe ausweiten. Wichtige Schritte waren die Gründung von Yellowfin und die Übernahme von Aquila Capital. Zudem stärken wir die persönliche Beratung der vermögenden Kunden durch eine angepasste Betreuungsstruktur.
Die Durchschnittskunden scheinen derweil hintenrunter zu fallen: Das Filialnetz schrumpft, es gibt kein gebührenfreies Girokonto mehr.
Nein, ganz und gar nicht. Wir begleiten unsere Kundinnen und Kunden ihr Leben lang durch alle Phasen und helfen ihnen beim Vermögensaufbau. Dafür stärken wir auch die Beratung in der Breite – in unseren Filialen und im Beratungscenter. Zudem bauen wir unsere digitalen Angebote weiter aus. Das ist die Basis für unser Geschäft. Unser Netz von derzeit rund 400 Filialen bundesweit passt zu den geänderten Gewohnheiten unserer Kunden. Denn für Routinegeschäfte gibt es inzwischen andere Kanäle, so funktioniert das Beratungscenter sehr gut.
Und wie ist das mit den Gebühren?
Bei uns bekommen Kunden ein umfangreiches Angebot mit persönlicher und digitaler Beratung, und sie können sich in rund 400 Filialen beraten lassen. Für dieses Leistungspaket führen wir nun einen angebots- und marktgerechten Preis von 4,90 Euro pro Monat ein. Damit reagieren wir auch auf die deutlichen Kostensteigerungen der vergangenen Jahre. Für Kunden, die lieber eine rein digitale Kontoführung wollen, haben wir bei comdirect weiterhin eine sehr gute kostenlose Alternative.
Jetzt sollen noch einmal knapp 4.000 Jobs wegfallen. Geht das nicht zulasten der Qualität?
Nein, wir stärken die Kundenberatung, denn wir wollen ja im Kundengeschäft weiter wachsen. Und bei den Zentralfunktionen werden wir effizienter, beispielsweise durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Dadurch fallen Stellen weg oder werden an andere Standorte verlagert.
Technologisch passiert gerade unglaublich viel. Haben Sie eine Idee, wie Bankberatung in fünf Jahren aussehen wird?
Das ist eine spannende Frage. KI-gestützte Sprachmodelle, die permanent mitlernen, eröffnen riesige Möglichkeiten. Vorstellen kann ich mir da unheimlich viel, aber eine Schlüsselfrage wird die Sicherheit sein. Wir werden die technischen Möglichkeiten eingrenzen müssen. Aber wenn Sie mich nach meiner Wunschvorstellung fragen: Ein persönlicher Banking-Avatar für jeden Kunden und jede Kundin, der alle persönlichen Fragen sofort beantworten kann. In jedem Fall werden wir einen Riesenschritt machen. Wartezeiten im Kundencenter wird es dann nicht mehr geben.
Dann habe ich es aber nicht mehr mit einem Menschen zu tun?
Das ist bei vielen Fragen auch nicht nötig. Ein ganz einfaches Beispiel: Viele haben eine Riesenfreude an einem gut funktionierenden Chatbot. Der verringert die Wartezeit und kennt im Idealfall schon meine möglichen Fragen. Das bringt eine zusätzliche Steigerung der Servicequalität. Die Herausforderung ist eher die Sicherheit: Was machen wir, wenn jemand nach der Umgehung von Geldwäscheregeln fragt - und derselbe Chatbot in derselben Qualität eine Antwort gibt? Da darf das System nicht angreifbar sein.
Aber unterm Strich überwiegen die Chancen?
Auf jeden Fall. Eine enorme Chance bietet die Individualisierung. Das System könnte zum Beispiel einen Wochenüberblick zum Wertpapierdepot liefern - mit Empfehlungen für sinnvolle Ergänzungen. Und mit Sprachsteuerung können wir viele Hürden abbauen. Heute kämpfen gerade ältere Menschen im Onlinebanking oft mit der Bedienung. Wenn ich mit dem Chatbot reden kann, wird das viel einfacher. Ich bin überzeugt: Wer das am besten macht, hat die Kunden.