Warum die EZB die Zinsen schon wieder senkt

Am Montag hat EZB-Präsidentin Lagarde den Eindruck erweckt, die EZB könne ihre Leitzinsen anders als noch vor kurzem erwartet...

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Dr. Jörg Krämer

Commerzbank Economic Research

04.10.2024

---bereits auf der nächsten Sitzung in zwei Wochen erneut senken. Wir zeigen, dass das vor allem an den zuletzt schwachen Konjunktur- und Inflationsdaten liegt und wie es mit den EZB-Zinsen weiter gehen könnte.

Erneute Zinssenkung bereits in knapp zwei Wochen

Auf der letzten EZB-Pressekonferenz vor drei Wochen hatte EZB-Präsidentin Lagarde noch den Eindruck erweckt, dass eine erneute Zinssenkung auf der bereits im Oktober stattfindenden nächsten Ratssitzung unwahrscheinlich ist. Der erwartete Rückgang der Inflationsrate im September liege an Sonderfaktoren, weshalb die Inflation im vierten Quartal wieder ansteigen werde. Während der Pressekonferenz fiel die Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt im Oktober auf rund 25%.

Mittlerweile hat sich das Bild gründlich geändert. Die Markteilnehmer sehen nun eine Wahrscheinlichkeit von 90% für einen solchen frühen Zinsschritt. Auslöser waren schwache konjunkturelle Frühindikatoren und Ende letzter Woche vor allem Inflationsdaten aus Frankreich und Spanien, die massiv unter den Erwartungen der vorab befragten Volkswirte lagen. Hinzu kam eine Rede von Lagarde am Montag vor dem Europäischen Parlament. Sie sagte, dass sich „die Disinflation ... in den letzten zwei Monaten beschleunigt“ habe. Das werde man bei der Oktober-Sitzung berücksichtigen. Dies sind Hinweise auf einen bevorstehenden Zinsschritt, die ein Zentralbanker kaum klarer formulieren kann. Wir hatten deshalb am Montag unmittelbar nach der Rede Lagardes unsere Prognose geändert und erwarten nun eine zusätzliche Zinssenkung um 25 Basispunkte auf der Sitzung in zwei Wochen. Für Mitte nächsten Jahres rechnen wir nun mit einem EZB-Einlagensatz von 2,5% (vorher: 2,75%).

Gestiegene Konjunkturrisiken

Für eine Zinssenkung bereits im Oktober sprechen die zuletzt unerwartet schwachen konjunkturellen Frühindikatoren. Das gilt vor allem für den Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor im Euroraum. Er ist im September nach einem vorübergehenden Anstieg im August massiv gefallen. Dieser wichtige Frühindikator für das Bruttoinlandsprodukt des Euroraums liegt nun wieder in einem Bereich, in dem die Wirtschaft in der Vergangenheit häufig geschrumpft ist (Chart 1). Auch das Ifo-Geschäftsklima hat sich im September deutlich verschlechtert. Nach vier Rückgängen in Folge weist der Trend dieses ebenfalls wichtigen Stimmungsindikators nun klar nach unten.

Die zuletzt gestiegenen Konjunkturrisiken dürften mit den zurückliegenden kräftigen Zinserhöhungen zu tun haben, zu denen die Zentralbanken der westlichen Länder wegen der hohen Inflation gezwungen waren. Hinzu kommt das gemessen an den Einkaufsmanagerindizes weiter schwache Wachstum in China sowie Chinas Entwicklung zu mehr wirtschaftlicher Autarkie, weshalb die Exporte der Euro-Länder nach China in den letzten fünf Jahren um rund ein Fünftel gesunken sind. In einigen Ländern wie zum Beispiel Deutschland spielt der Reformstau und der Vertrauensverlust in die staatliche Wirtschaftspolitik ebenfalls eine Rolle.

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